Zurück
Während des Golfkrieges veröffentlichte die L.U.P.U.S-Gruppe einen "Offenen Brief":
Auf einer Veranstaltung zum Kaindl-Prozeß
in Berlin traten sie als "ExpertInnen" in Sachen "linker Verräter"
auf, ein Label, das sie sich in der Startbahnbewegung erworben haben. Linker
Mythos verträgt sich gut mit Paternalismus gegenüber MigrantInnen.
Statt eine Unterstützung der Angeklagten zu organisieren (unabhängig
davon, ob Aussagen gemacht wurden oder nicht) beteiligten sie sich an der
unsäglichen "Verräter-Diskussion". MigrantInnen sollten sich
den deutschen Diskussionen und Erfahrungen unterwerfen. "Es sind nicht Anna
und Arthur, es sind Erkan und Bahrettin, die eine ganz andere Sozialisation haben." schrieben MigrantInnen aus Berlin zu der Gleichsetzung mit den
Startbahnprozessen. Es hat nicht interessiert, daß keiner der verfolgten
und inhaftierten MigranntInnen bereit war, die beiden als Verräter
zu bezeichnen. Während in Berlin die deutsche
"Expertenrunde" zusammenkam, wurde in Frankfurt, nachdem bei einer Veranstaltung
(mit dem Titel: "Wenn RassistInnen angreifen, sorg dafür, daß
sie es NIE WIEDER TUN !") nicht über "Mord und Verrat" diskutiert
wurde, die Unterstützung verweigert.2)
Ein weiteres Szene-Märchen
ist, daß sich ihre Deutschland-Kritik "deutlich verschärft"
hätte. Vielleicht ist auch nur damit gemeint, daß einige Dummheiten
der "Doitschstunde" (Nov.1990) stillschweigend unter den Tisch gefallen
sind oder revidiert wurden.
Der Drang sich unbedingt an Veranstaltungen von deutschen Linksmicheln zu beteiligen4)- und um sich dort nicht völlig zu blamieren -, zwang LUPUS zu einigen Anpassungsleistungen. Zwei Jahre nach der "Doitschstunde" geben sie sich nachträglich naiv, weil "andere und wir uns nicht plausibel erklären (konnten), worin das Besondere eines deutschen Spezifikums, einer Einzigartigkeit, besteht, bzw. wo es entstanden ist, worauf es gründet", sie also über die Tatsache der Ermordung der europäischen Juden (ein "Spezifikum" der Deutschen) noch nicht aufgeklärt waren. In ihrem Buch "Das Boot ..." versuchen sie "Zugeständnisse" besonderer Art. Nachdem LUPUS "den Ablagerungen der Geschichte im Bewußtsein des theoretischen Durchschnittsdeutschen nachspürt" und allerlei "Charaktereigenschaften" und "Tugenden" bemüht hat, so beispielsweise Opportunismus, völkisches Bewußtsein, Feigheit, bedingungslose Tüchtigkeit, Drang zur Reibungslosigkeit, soll nun mit "einer Analyse, wo, wie und warum diese Einstellungen und Dispositionen historisch entstanden sind" dem "Spezifikum" an die Wurzel gegangen werden. Nicht die Fakten werden zur Kenntnis genommen (so bleibt die Ermordung der Juden auch dann ein Fakt, wenn geklärt ist, warum die Deutschen es getan haben), sondern die KritikerInnen der Deutschen werden in die Geschichte gejagt, mit der Gewißheit, daß sie damit genug zu tun haben. Was von bürgerlicher und reaktionärer Seite versucht wird, nämlich die deutsche Geschichte "durch den Nationalsozialismus hindurch" zu rehabilitieren, erfährt hier von LUPUS seine linke Variante. Wer soviel von "Mitmachqualitäten",
"Mittäter-Identitäten", "Masse der Schweigenden, nicht Opponierenden,
letztlich Mitmachenden" schwadroniert hat das dringende Bedürfnis
das Volk zu entschuldigen: "Beteiligung des bürokratischen Apparats
an der Shoah, breite Zustimmung zu den Angriffskriegen und des Wohlwollens
großer Teile der Bevölkerung gegenüber den politischen
Säuberungsaktionen" lautet die verharmlosende Hierarchisierung.
"Volk und Shoah" bringen sie nicht zusammen über die Lippen, nur fein
voneinander getrennt. Mit der Feststellung der "Einmaligkeit industrieller
Vernichtung von Jüdinnen und Juden durch die Nazis" koppeln sie
die Vertreibung und Ermordung der Juden vom deutschen Volk ab, d.h. ein
wesentlicher Bestandteil des Vernichtungsprozesses (die arbeitsteilige
Durchsetzung und Übereinstimmung von Staat und Volk) wird verwischt.
Die Besonderheit des Antisemitismus im Nationalsozialismus bestand in der konsequenten Verfolgung des Zieles der Vertreibung und letztlich der Ermordung aller Juden, deren die Deutschen habhaft werden konnten. Daran hinderten sie lediglich die nichteroberten Länder und schließlich die alliierten Truppen. Bis zum Ende verfolgten sie ihr Ziel mit allen Mitteln. Durch nichts ließen sie sich davon abbringen. Innerhalb der deutschen Gesellschaft existierte keine Schranke gegen das Verbrechen; sie mußte von außen gewaltsam gesetzt werden. Wenn die deutsche Linke das funktionale Zusammenspiel von Führung und Masse im Nationalsozialismus nicht begreift und sich statt dessen ein gutes Gewissen im Widerstand sucht, ist sie unfähig die TäterInnen, ihre Verbrechen und damit auch die eigene Geschichte wahrzunehmen.5) Am Schluß ihrer Exkursion im Begreifen "der Ablagerungen der Geschichte im Bewußtsein des theoretischen Durchschnittsdeutschen" werden sie dort ankommen, wo alle Linke ankommen, die sich das deutsche Volk für spätere große Taten warm halten wollen. Sie werden auch demonstrieren, daß die Ermordung der europäischen Juden nur noch eine Fußnote - oder wie bei LUPUS eine Klammer - der Geschichte ist: Die "Irrationalität ‘unnötiger’ Opfer ... kann nicht die Rationalität und Normalität nazistischer Ziele ausblenden. Der imperiale Kampf um ‘Lebensraum im Osten’ war keine verrückte Idee der Nazis, sondern nur die konsequente Fortsetzung europäischer/imperialer Kolonialpolitik. Die Verfolgung von KommunistInnen, SozialistInnen und AnarchistInnen war keine nazistische Besonderheit in Europa, sondern abendländischer, zivilisatorischer Standard. Die Ausplünderung des eigenen Volkes und anderer Völker war keine Spezialität des Nazi-Regimes, sondern gemeinsame Grundlage europäischen Reichtums. Die Judenverfolgung war ganz und gar nichts ‘Singuläres’ im demokratischen Europa, sondern nur der christlichste aller europäischen Rassismen (was allerdings nichts von der Einmaligkeit industrieller Vernichtung von Jüdinnen und Juden durch die Nazis einebnet!)". Womit der Kreis geschlossen ist.
Die Deutschen waren die ersten Opfer der Nazis und in "der ‘Appeasement-Politik’
europäischer Staaten drückte sich eben nicht eine falsche Analyse,
sondern die tiefe Übereinstimmung vieler europäischer Regierungen
mit der Ideologie, der Ökonomie und den politischen Zielen des Nazi-Regimes
aus."6)
Von all dem (oder ähnlichem) schreibt O. Tolmein nichts. Und wahrscheinlich geht es ihm auch nicht darum, die Aussagen und Taten von LUPUS einer Kritik auszusetzen. Auf dem Markt der Eitelkeiten zählt auch die wissende Geschwätzigkeit, der dezente Hinweis Insider zu sein. Anstatt daß O. Tolmein versucht durch einige Szene-Schmankerl eine Gruppe anzubieten, die er scheinbar nicht genau kennen will, hätte er dies LUPUS selbst überlassen sollen: Sie können sich immer noch am besten (selbst-) darstellen.
Fußnoten: 1) Damit
Mannheim-Schönau nicht vergessen wird, wurde fast auf den Tag
2 Jahre später der "Freie Weg" in Mannheim-Waldhof "ausländerfrei"
gemobt. Nach den Angriffen wurden die türkischen Familien (nicht der
Mob) von der Polizei evakuiert. Bis auf wenige war die Mannheimer Linke
nicht willens gegen die Bewohner des Stadtteils vorzugehen, um die Aktion
zu stoppen. Sie spielten das Geschehene herunter und erklärten das
Pogrom zu einer volkstümlich-proletarischen Art sich zu streiten.
Dabei fanden sie im Rhein-Main-Gebiet reichlich Unterstützung. Je
weniger diese linken Lokalpatrioten gegen den Mob unternahmen, um so lauter
diskutierten sie über "Metropolenchauvinismus", nachdem sie erfuhren,
daß in Frankfurt Gegenaktionen vorbereitet wurden.
2) Als Begründung
diente der Hinweis auf den Tod eines Neonazis und auf "ungeklärte
Fragen" bzgl. Aussagen zweier Angeklagter. Dahinter verbarg sich in gewisser
Weise die "Rache für Schönau": Schon das erste Plakat zu Mannheim-Schönau
"Vertreibt den deutschen Mob aus den Straßen von Mannheim-Schönau"
(nicht von LUPUS) und die gleiche Parole zu Mannheim-Waldhof zwei Jahre
später löste eine unsägliche Diskussion in der linksradikalen
Szene aus.
3) Eine Aktion
der "neuen Art" war auch die in Offenbach/Main, die sie trotz Kritik nicht
lassen konnten. Was spaßig gemeint war, wurde zur linkspopulistischen
Massenanbiederung und zur Verdoppelung des rassistischen Diskurses, der
sich an einem regionalen deutschen Ressentiment nicht brechen läßt.
Auf Flugblätter und Plakaten wurde von "Frankfurter Bürger für
Sicherheit und Ordnung" aufgerufen "Das OF-Problem" anzugehen. "Während
wir für unsere Chefs ranklotzen, treibens die Offenbacher mit unseren
Frauen und liegen faul in der Sonne. Ganz abgesehen davon, daß bekanntermaßen
viele Offenbacher Scheinehen mit unseren Frankfurter Frauen eingehen, um
sich so ins gemachte Netz zu setzen. Dann leben sie von unserem Sozialamt
und fahren ihren Mercedes spazieren. ... Aber wir können weder die
Probleme Kalkuttas noch die von Offenbach lösen. Die Offenbacher sitzen
seit Jahren wie die Maden im Speck und schlagen sich den Bauch voll. Uns
reichts ! Das sind doch alles Kriminelle ! Die gehen doch nur zu unseren
Bildungseinrichtungen, um dort Drogen zu verkaufen. ..."
4) Wie der KONKRET-Kongreß in Hamburg, der es schafft ohne nennenswerte Beteiligung von MigrantInnen auszukommen, dafür aber knallharte Rassisten aufbieten konnte wie einen Christoph Türke. Er war willkommen, konnten sich anschließend doch die "guten" Deutschen beweisen, wie schön sie ihn kritisieren können. Nur warum sie das mit ihm unbedingt in einem Raum oder auf demselben Podium und dann noch mit Argumenten machen wollten, bleibt trotz schöner Kritiken nach wie vor offen. 5) "Weil es Auschwitz gab, heißt, an Deutschland denken, gerade(?) auch(?) an Widerstand denken. ...Beziehen wir uns in unseren Kämpfen heute auf die Frauen im Widerstand, auf die Widerstandsgruppen im 3.Reich - wir bräuchten ihnen nichts in den Mund zu legen - sie können uns was sagen." 6) Und lt. LUPUS sind die Reeducation-Versuche der Alliierten nicht an den Deutschen selbst gescheitert: "Andere Herrscher - angelsächsischem Demokratieverständnis verhaftet - ließen eine/n nicht nur unbehelligt, durch ihre Nachkriegs(deutschland)politik bestätigten sie die Realitätstauglichkeit und Demokratieverträglichkeit dieser Einstellung."
Zum Seitenanfang Zurück |