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Fluchschrift
Nr.2 / März 1993 / Frankfurt/M.
- Gegen das organisierte Deutschtum. Für
den Wiederzusammenbruch -
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"Im Hause des Henkers soll
man nicht vom Strick reden; sonst hat man Ressentiment." (Adorno)"
Wir wollen im Folgenden u.a. umreißen, welche inhaltliche Ausrichtung wir in einer antirassistischen Politik in Deutschland für wichtig und zu bedenken finden. Das wird auch uns zur weiteren inhaltlichen Orientierung dienen. Dies wollen wir in Form von Thesen zur Diskussion stellen. Des weiteren soll in einem zweiten Teil auf eine Kritik an der ersten Fluchschrift genauer eingegangen werden. * Die Wiederherstellung großdeutscher
staatlicher, weltpolitischer Souveränität, nationaler Größe
und Stolzes ist notwendigerweise verbunden mit der Befreiung vom Makel
der nationalsozialistischen Vergangenheit.
1985 war ein Schnittpunkt in der "Reparatur
der deutschen Wahrnehmung": Bitburg und Historikerdebatte. Was in den 80er
seinen programmatisch-symbolischen und inhaltlichen Anfang nahm, bekommt
in den 90er durch den imperialistischen Triumph über den realen Sozialismus
und die deutsche Wiedervereinigung einen enormen Schub:
Mit der Wiedervereinigung sind die
Möglichkeiten der praktischen Um- und Durchsetzung der "Neubewertung
der deutschen Geschichte" innen- wie außenpolitisch fast grenzenlos
geworden. Die Liste der Objekte dieser "Reparatur" ist endlos lang:
Die Revision der Nazi-Vergangenheit ist das mächtige Leitmotiv. Das Ende der Nachkriegsordnung, der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten gibt das Material und die Macht zur Relativierung der Geschichte in die Hand. Die Homogenisierung des neudeutschen Staatsvolkes wird mit der Aktivierung und Zurichtung gemeinsamer geschichtlicher Erfahrung - z.B. der Vernichtung der europäischen Juden - und neuer Selbstfindungs-Anstrengungen durchgesetzt. Die Volksgemeinschaft ist auch eine neue "Leistung" und greift nicht nur auf "Altbewährtes" zurück. "Diese Gemeinschaft wird zusammengeschweißt durch Ausgrenzung des Nichtdeutschen." schrieben wir in der ersten Fluchschrift. Die Agressionsobjekte, die Flüchtlinge und MigrantInnen, sind Material zur Herstellung und Wiederbelebung des National-Völkischen. Die Asylpolitik, verstanden als Parteien-Debatte, Gesetzesänderungen, rassistischer Diskurs und tätliche Angriffe, ist zugleich die Durchsetzung deutscher Identitätsfindung. Am Ende dieses Ausgrenzungs-Prozesses wird geklärt sein, was deutsch ist und wer "dazugehört". In diesem Prozeß der Neuformierung Deutschlands konstituiert sich ein Konzept von deutsch und fremd. So hat sich bisher folgendes herauskristallisiert: Problem ist der "Wirtschafts- oder Scheinasylant"; diese Menschen sind eine "Belastung für Deutschland", sie sind "teuer" und "kriminell", verstoßen gegen deutsche "Sitten und Hygiene" und mißbrauchen schamlos deutsche Grundrechte. Der national-völkische Aufruhr in Rostock identifizierte - in volkspädagogischer Begleitung der Medien - die "eigentlichen Täter": Roma aus Rumänien. "Das sind Leute mit Lebensgewohnheiten, die man auch nicht umkrempeln kann, die aber auch nicht unbedingt die Zustimmung der Anwohner haben" erklären Politiker in Rostock während dem Höhepunkt des Aufruhrs, und sie meinen damit nicht ihre VolkgenossInnen. Im "schönsten Rostocker Stadtteil" Lichtenhagen, wo den Menschen vor allem wichtig ist, es "großzügig und sauber" zu haben, werden die "Fremden" zu einem "Hygieneproblem". Was der Mob in Rostock formuliert wird in Bonn eifrig zur Kenntnis genommen und durchgesetzt. "Wenn denn nur endlich mal das Volk entscheiden könnte. In den Güterzug mit denen und ab nach Rumänien." sagte ein Rentner in Rostock-Lichtenhagen. Zu Mölln dann die nächste Klarheit: "Nützliche" und "integrierte" AusländerInnen sollen nicht angegriffen oder umgebracht werden, da sie zum deutschen Wohlstand beitragen und Deutschland "multikulturell" bereichern. "Sie leisten seit vielen Jahren einen ganz wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung unseres Unternehmens. Damit dies so bleibt, wollen wir zu einem solchen Dialog in ganz Deutschland ermutigen, ihn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen und fördern." (Vorstand der Daimler-Benz AG) Oder "Grün" formuliert: "Ohne die Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Ländern, wo die Zitronen blühn, wäre den Deutschen die Reisewelle in eben diese Länder sowenig möglich gewesen wie die Entwicklung ihrer gewaltig ausdifferenzierten Freizeit- und Eigenarbeitskultur. Es hat daher etwas Groteskes, wenn heute ausgerechnet viele von denen, die ohne ausländergestütztes Wirtschaftswachstum noch immer hoffnungslos in ihr Arbeitsleben eingesperrt wären, der eigentümlichen Meinung sind, ohne Ausländer in Deutschland ginge es ihnen besser." (Schmid/Cohn-Bendit, Heimat Babylon) Im Prozeß der Selektion in "nützliche" und "überflüssige" AusländerInnen wird das Urteil über die Flüchtlinge gefällt: Da sie für diese Gesellschaft keinen "nützlichen" Beitrag zu "leisten" haben, sollen sie "draußen" bleiben oder "dürfen" "gut sortiert" und durchleuchtet ins deutsche Land. Da der Maßstab der Bewertung bzgl. Nützlichkeit die "deutschen Interessen" und die deutsche Gesellschaft sind, diese also bestimmen, wer wo, wann und wieviel zum Wohle Deutschlands zu vernutzen ist, ist die Integration und Nützlichkeit in Deutschland keine Gewähr für Unversehrtheit. Öffentlich und tödlich praktisch werden in Worten und Taten die deutschen "Bewertungen", die Interessen und die Stimmungen geändert und durchgesetzt.1) Nach diesem Prozeß der Ausdifferenzierung, mit dem Beginn der Befürchtung vor innenpolitischen Risiken, da die Angegriffenen zum Selbstschutz greifen könnten, der Verortung der 'Einzel-Täter' am rechten Rand, nach den anhaltend schlechten Noten im Ausland beginnt nun die PR-Aktion mit den ausländerfreundlichen Deutschen für das deutschfeindliche Ausland. Die "guten" Deutschen kommen zu sich, konstituieren sich in der kerzenhaltenden Masse, fürs TV-Auge und Weltöffentlichkeit inszeniert. Die Selbstinszenierung als "Opfer" in bekannter friedensbewegter und allzualtbekannter selbstmitleidiger Betroffenheit. "Wir trauern um Deutschland" war eine zentrale Losung der Demonstrationen nach den Morden in Mölln.2) Es gibt keine politischen Äußerungen mehr, Forderungen, Interessen; es gibt keine Parteien mehr, nur noch ausländerfreundliche Deutsche. In der Verbindung von religiösem Volkstum mit modernem Kommunikations-know-how, in einer vollendeten Symbiose von Pfaffentum und Werbestrategen, formiert sich die Masse zur Volksgemeinschaft. Die Asyldebatte, -politik und die Anschläge waren die deutsche Selbstfindung als Negation und was da stattfindet ist nicht das Gegenteil von Rassismus, sondern die positive Selbstinszenierung. "Meine Vorstellung ist, daß durch die rassistischen Vorfälle die Westdeutschen wieder eine Identität entdeckt haben, die durch die Wiedervereinigung verlorengegangen ist. Wir hatten schon immer eine politische Kultur, die sich gewehrt hat" (M.Jürgs, Initiator der Hamburger Lichterkette) Und auf dem "größten" Rockkonzert der "Nachkriegsgeschichte" bringt Stephan Remmler die Sache auf den Punkt. Nachdem er erklärt hatte, warum "Neger" für ihn ein "positives Wort" ist, wünschte er sich, das Wort "Deutscher " möge wieder ein positiver Begriff werden. Diese zum Symbol erhobene Ausländerfreundlichkeit ist deutsche Innerlichkeit. Deren Praxis ist die rassistische Normalität. Basierend auf diesen Thesen würden
wir gerne über Fragen streiten, wie:
- Warum lassen sich für Aktionen gegen faschistische Versammlungen oder Parteitage mehr Menschen aus der linksradikalen Szene mobilisieren als etwa gegen rassistische Ansammlungen und Bürgerinitiativen von "Normalos" in Stadtteilen (so etwa in FFM/Höchst oder FFM/Sachsenhausen) ? Warum werden Parolen, wie "Wir werden nicht warten bis ihr Flüchtlinge angreift !", nicht weiter diskutiert und in die Tat umgesetzt, obwohl dies schon lange überfällig ist, angesichts der Stimmung bei der deutschen Bevölkerung z.B. in besagten Stadtteilen ? Was heißt es für MigrantInnen in einem Wohnviertel zu wohnen, in der 30% der Bevölkerung Republikaner wählt, z.B. in der Hans-Böckler-Siedlung in Offenbach ? Wie will die radikale Linke dort intervenieren ? Oder will sie dort, den Rassismus der Bevölkerung entschuldigen und wie von der "AG Für Freies Fluten"/Hanau gefordert, "Initiativen stärken, die die sozialen Fragen, z.b. die Wohnungsnot, thematisieren und gegen die verantwortlichen Herrschenden richten", um "den rassistischen Konsens in der Bevölkerung aufzubrechen"?3) - Warum kritisiert sie die Lichterketten meistens als "nur symbolisch", also als "nicht genug", und nicht etwa als die Kulisse, vor der gegenüber den Nichtdeutschen mit "Asylkompromiß" und anderen Gesetzen scharf gemacht werden kann, als die "feierlichen Dankgottesdienste für die Abschaffung des Asylrechts" (H.L Gremliza) ? Ein Flugblatt "Freiheit für Gunther!" sieht in den Lichterketten nicht etwa die Form, wie in dieser Gesellschaft heute ein selbstbestimmtes Staatsvolk basisdemokratisch die Volksgemeinschaft über "Ausländerfreundlichkeit" herstellt4), sondern mit den Lichterketten "soll Menschen, die sich gegen Faschismus wehren wollen, eine rein symbolische Form von ´Widerstand´ angeboten werden". Warum diskutiert die linksradikale Szene nicht über solch eine Volksanbiederung ? - Weshalb scheitern zur Zeit die meisten Versuche der Linksradikalen, eine militante und scharfsinnige Gegenaktion zu organisieren, an Opportunismus, Langweiligkeit, Resignation, Theoriefeindlichkeit, Unlust und konzeptionslosem Aktionismus ? Die linksradikale Szene wird nicht
umhin kommen, sich mit Auseinandersetzungen ähnlichen Inhalts zu beschäftigen,
um endlich zu einer adäquaten praktischen Antwort auf die aktuellen
Verhältnisse in Deutschland zu kommen. Dazu sind auch einige theoretischen
Anstrengungen notwendig. "Ohne revolutionäre Theorie kann es auch
keine revolutionäre Bewegung geben. Dieser Gedanke kann nicht genügend
betont werden in einer Zeit, in der die zur Mode gewordene Predigt des
Opportunismus sich mit der Begeisterung für die engsten Formen der
praktischen Tätigkeit paart." lautet eine östliche bolschewistische
Weisheit und die praktische Umsetzung der Antworten auf obige Fragen würde
zur Zeit in Deutschland (auch in der linksradikalen Szene) die "Verhältnisse
zum Tanzen bringen" (Marx). Was wollen wir mehr ? Oder ist das zuviel verlangt
?
** Zur ersten Fluchschrift gab es in den vergangenen Monaten einige Kritiken.5) Nicht daß uns diese unangenehm wären, zumal wenn sie linksradikal motiviert sind. Davon gibt es viel zu wenig. Die linksradikale Szene läßt sich mit öffentlicher theoretischer Kritik viel zu sehr in Frieden und es fehlt eindeutig an einer lebendigen "Streitkultur". Auch daran wollen wir was ändern. Für Kritik sollten jedoch einige Minimalanforderungen gelten. Sie sollte z.B. zumindest halbwegs den Gegenstand der Kritik zur Kenntnis nehmen und nicht einfach deshalb Sachen behaupten, weil sie inhaltlich gerade gut in den Kram passen. Wie schwierig dies zu sein scheint und wie selbstverständlich innerhalb der Szene Positionen behauptet werden können, die durch den kritisierten Gegenstand nicht gedeckt sind, zeigen auch die Beiträge in der Swing.6) Außerhalb jeglicher Kritik finden
wir jene Beschimpfungen, die sich auch in Artikeln der Swing wiederfinden.
Diese spekulieren einzig und allein auf ein Publikums, das weder kundig
noch willens ist, sich mit der Sache genauer auseinanderzusetzen. Der Kraftausdruck
ersetzt die Argumente. Viele KritikerInnen können scheinbar aus ihrer
spießbürgerlichen Haut nicht heraus und machen der deutschen
Kultur mit ihrer "Fäkaliensprache" alle Ehre:
+ Als jüngste Kritik an der Fluchschrift erschien u.a. der Artikel "Revolution oder Bomber Harris ?" von Heinz Xanthippa (Swing Nr.48). Auf diesen Artikel wollen wir exemplarisch genauer eingehen. Wie uns Heinz X(S)an(k)thippa versichert, hat er es sich nicht leicht gemacht und schwer mit sich gekämpft. Aber nachdem er sich durch "Gramsci gegenüber Bucharin" moralisch aufgebaut hatte, konnte er sich wieder mit gutem Gewissen "daran (...) erinnern, in den Kritisierten GenossInnen zu sehen, und nicht objektive Wegbereiter der Reaktion". Da sind wir mal wieder gut weggekommen. Nicht auszudenken, wenn der Heinz nun auch, wie schon andere vor ihm, über uns den "Fluch"bann gesprochen hätte.7) Er gewährt uns weiterhin den Aufenthalt in den "Heiligen Hallen" mit der schönen Aussicht auf die Revolution. "Objektive Wegbereiter der Reaktion" soll heißen, daß wir selbst von unserem Unglück (noch) nichts wissen. In gewisser Weise eine Umkehrung des alten und falschen Spruches, daß "objektiv" das Proletariat zwar revolutionär, "subjektiv" aber (im Moment) reaktionär sei. Ein in der deutschen Geschichte leider viel zu oft anzutreffendes Phänomen, wofür die kommunistische Linke am allerwenigsten konnte, trotz ihrer katastrophalen Fehler. In der westdeutschen "neuen" Linken waren immer jene gut angesehen, die wußten, wo "es objektiv" langgeht. Denn im Gegensatz zu den subjektiven, "schwankenden Kräften" (wozu es reichlich Anlaß gab, angesichts der deutschen Verhältnisse und der existierenden linken Antworten) waren jene, die sich im Trend der "objektiven Entwicklung" wähnten, sowas wie ein Fels in der Brandung. Angesichts einer autoritären Fixierung der meisten AnhängerInnen linker Organisationen eine äußerst wichtige Einrichtung. Die Unterscheidung zwischen "objektivem und subjektivem Interesse" diente einzig und allein dem Zweck, den reaktionären Zustand in Deutschland im Kopf auszuhalten. "Höhere Wesen" mußten her, um die Organisationen zusammenzuhalten. Und was kümmerte die härtesten VerfechterInnen dieser Durchhalteparolen später, daß sie auf "Realpolitik" umstiegen, um sich näher an der "objektiven Tendenz" zu fühlen ? Im großen Ganzen also alles keine guten Gründe, diesen falschen Theorieversatz weiter zu reproduzieren. Die Unterscheidung zwischen "objektiver
und subjektiver" Funktion, Interesse oder Entwicklung existiert genau genommen
nicht. Denn der Satz "die Menschen machen ihre Geschichte selbst" stimmt
insoweit, daß sie in der Regel subjektiv gerade das durchsetzen,
was gesellschaftlich erforderlich ist. Ihr Pragmatismus und ihr "instrumentelles
Bewußtsein" sieht in den vorgegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen
nur Mittel zur Durchsetzung ihrer eigenen Zwecke ("wofür soll der
Mond Reklame machen"). Wenn die Menschen in diesem Land ihr rassistisches
Interesse formulieren oder durchsetzen, werden sie im allgemeinen von der
linksradikalen Szene nicht ernst genommen. Wenn Rassisten andere Menschen
schikanieren und totschlagen, geht es lt. linksradikaler Standardmeinung,
nicht um die Durchsetzung dieser rassistischer Interessen, sondern um "etwas
Anderes": z.B. Arbeit, Wohnung und Diskothek. Wie sie sich fühlen,
was sie tun, sind nicht sie selbst. Sie sind mißbraucht, manipuliert
oder aufgestachelt. Rassismus hat in dieser Anschauung keine eigene Dynamik
der Vernichtung anderer Menschen (insbesondere in Deutschland), sondern
ist Vehikel für nicht erkannte berechtigte soziale Interessen. Die
TäterInnen bekommen den theoretischen Freifahrschein für den
rassistischen Angriff.
++ Wir schrieben in der Fluchschrift: "Den Hinweis, wie er im Beitrag "Exzesse"
auch enthalten ist, daß ohne die Zerstörung Deutschlands hier
eine befreite Gesellschaft nicht möglich sei, wollen und können
sie (die Linksradikalen) nicht ernst nehmen. Für sie ist diese Kritik
ein überzogenes Gefühl von AusländerInnen, die sie ´verstehen´,
aber nicht annehmen können. Sie haben das Gefühl, daß ihnen
eine "Perspektive" genommen wird. Hoffnung auf eine bessere Bevölkerung
und eine bessere Gesellschaft ist der Motor ihrer politischen Arbeit."
(S.4; Der Beitrag "Exzesse", auf den sich an dieser Stelle zustimmend bezogen
wurde, war ein Beitrag aus dem Cafe Morgenland.) Die in dem Zitat enthaltene
Kritik, daß den Linksradikalen in Deutschland die Perspektive, und
somit der Motor ihrer politischen Tätigkeit abhanden kommt, wenn ersichtlich
ist, daß die deutsche Bevölkerung für eine revolutionäre
Alternative (vielleicht für eine "nationalrevolutionäre") nicht
zu gewinnen ist, bewegt Xanthippa nicht weiter. Er unterstellt uns vielmehr
folgendes: "In der Fluchschrift wird der Dualismus und das Lagerdenken
kriegerisch begriffen, und mit der gewollten ´Zerstörung Deutschlands´
die Möglichkeit eröffnet, dies zuende zu denken als Kampf der
Mächte des Lichts gegen die Finsternis, Gut und Böse, Ormuzd
gegen Ahriman."(S.35) Und kommt über einen Exkurs zu Wolfgang Pohrt,
der weder auf der Gehaltsliste der Fluchschrift steht, noch in irgendeiner
Weise als inoffizieller Mitarbeiter bei uns ( auch nicht unter dem Decknamen
"Erzengel") involviert ist und den Katholischen Inquisitoren, denen dann
wiederum derselbe Pohrt entsprechen soll, zu der Ansicht: "Vor diesem Hintergrund
muß die ´Renazifizierung´, die die Gesellschaft zur Kenntlichkeit
entstellt, traumatisch empfunden werden und die Rettung in der Beseitigung
"der Deutschen" suchen". (S.36)8)
Aber eine "eröffnete" Möglichkeit ist keine Wirklichkeit. Die
Argumentationskette Fluchschrift-Pohrt-katholische Inquisitoren-Fluchschrift
muß Xanthippa machen, damit es so aussieht, als würden seine
Behauptungen durch den Inhalt der Fluchschrift belegt. Sie selbst gibt
inhaltlich all die behaupteten Sachen nicht her. Für ihn erklärt
sich scheinbar das eine aus dem anderen: Fluchschrift erklärt sich
mit Pohrt, dieser mit der katholischen Inquisition und diese wiederum mit
Fluchschrift. Nur eines erzählt Xanthippa nicht: Daß die Konsequenz
"Beseitigung der Deutschen" weder in der Fluchschrift, noch im Beitrag
"Exzesse" von Cafe Morgenland entdeckt werden kann oder nahe gelegt wird.9)
Genau genommen existiert sie auch lediglich in seiner Phantasie und er
muß deshalb dieses Meisterstück intellektueller Verrenkungen
zustande bringen, um sich seiner Phantasie zu ent-äußern, indem
er sie auf uns projiziert.
Wie stark muß die positive Identifikation mit "seinem" Volk sein, damit es möglich wird, die größten Verbrechen, die es begangen hat, zu relativieren, gegenüber einer Kritik, die noch nicht im entferntesten diese Verbrechen in Begriffe fassen kann. Es scheint so, als würde unsere Kritik am Bewußtsein und am Handeln der Deutschen, Xanthippas eigene Vernichtungsphantasien erst richtig mobilisieren. In altbewährter Tradition: Die Deutschen projizieren auf ihr "Gegenüber" die Vernichtungsphantasien, die gerade sie haben. Auf die Idee, ein Volk zu vernichten, auf die muß ja erst einmal jemand kommen. In Deutschland, deren Bevölkerung auf ein geschichtliches praktisches Programm verweisen und zurückgreifen kann, kommen diese Phantasien automatisch hoch.10) Xanthippa bewegt das sich täglich
artikulierende deutsche Vernichtungspotential scheinbar weniger als unsere
Kritik daran. Denn während er seine gesamte Hoppy-Psychoanalyse bemüht,
um zu erklären, warum in der Fluchschrift der Begriff "Zerstörung
Deutschlands" verwendet wird, unternimmt er noch nicht einmal den Versuch
zu verstehen, warum es möglich war, daß in Deutschland die nationalsozialistischen
Vernichtungsprogramme mit breiter Unterstützung der Bevölkerung
durchgeführt wurden. Während ihm zur Erklärung unserer Thesen
Begriffe einfallen wie "Sexuelle Spannung", "Lustangst", "traumatisch"
(zuweilen auch bildungsbürgerlich schöngeistig: "Ormuzd und Ahriman"),
ist seine Begrifflichkeit bzgl. dem deutschen Nationalsozialismus und der
heutigen rassistischen deutschen Gesellschaft ( mit Mord, Unterdrückung,
Demütigung und Diskriminierung von Nichtdeutschen, als Konsequenz
aus dem Zusammenspiel von staatlichem/institutionellem Rassismus, Alltagsrassismus
und organisierten und nichtorganisierten Faschisten) äußerst
dünn. Zum Nationalsozialismus und zur jetzigen Situation von MigrantInnen
und Flüchtlingen in Deutschland fällt ihm nicht mehr ein, als
billige, von Ressentiments geladene Aussagen: "Mir geht es nicht um versachlichen
oder verharmlosen: es ist eindeutig, daß viele ´Deutsche´
AntifaschistInnen, MigrantInnen, Minderheiten vor die Wahl stellen, entweder
getötet zu werden oder sie selbst zu töten oder handlungsunfähig
zu machen." (S.36)11)
+++ Xanthippa schreibt: "Die Vorstellung eines Weltgerichts, welches ´die Deutschen´ schuldig spricht, wird durch die Nichterfassbarkeit von Auschwitz in Gang gesetzt, weil jede konkrete Rache an individueller Verantwortung vor dem Unmaß der Taten der TäterInnen verhallt, die Vernichtung der Sinti und Roma, der europäischen Juden gründlicher den Boden von Gerechtigkeitsempfinden und Menschlichkeit wegreißt als tausend Kriege. Vor diesem Hintergrund muß die ´Renazifizierung´, die die Gesellschaft zur Kenntlichkeit entstellt, traumatisch empfunden werden und Rettung in der Beseitigung ´der Deutschen´ suchen". (S.35/36) Er legt uns nahe: Auschwitz ist dermaßen unbegreiflich, daß es nur in einer Abstraktion gedacht werden kann und somit jeglicher individueller Schuld oder Rache entzogen wird. Was so schrecklich war, kann nur verdrängt oder vergessen werden. Wer trotzdem versucht, den Nationalsozialismus und seine Konsequenzen, oder die Kontinuität in der deutschen Gesellschaft ansatzweise zu begreifen, kann nur in einem Trauma enden und Vernichtungsphantasien entwickeln. Woran Heinz nicht mehr erinnern möchte: Auschwitz und die Vernichtung der europäischen Juden sind ein deutsches Produkt. TäterInnen und Opfer sind klar zu unterscheiden, auch wenn es schwerfällt, überhaupt zu begreifen, warum und wie es zum nationalsozialistischen Vernichtungsprogramm kommen konnte. Den Makel Auschwitz werden die Deutschen nicht los, auch wenn sie sich in letzter Zeit eifrig bemühen, alles, was sie in der Welt denunziert, in einer Historisierung umzuwerten. Die Singularität der Durchsetzung eines Vernichtungsprogrammes durch die Nationalsozialisten verschiebt Xanthippa auf die Ebene einer Abstraktion, um sich seiner intellektuell zu entledigen. Deshalb auch kein Wort zu den aktuellen Befindlichkeiten der TäterInnen und der Tätergemeinschaft, zum Zustand ihrer Nation knapp 50 Jahre nach der Vernichtung. Stattdessen erteilt er den TäterInnen die Absolution und spricht den KritikerInnen jegliches rationales, und somit für ihn relevantes, Urteil ab. Dies gilt insbesondere auch für die Opfer. Was heute in Deutschland an Rassismus und Antisemitismus durchgesetzt wird, können z. B. die Juden, die auf gepackten Koffern sitzen, lt. Xanthippa nur "traumatisch" empfinden12). Er denunziert die Sichtweise der Verfolgten und all derer die nicht "objektiv", d.h. indifferent die Geschichte dieses Landes und ihre wiedervereinigten Folgen betrachten, als "von ihren Gefühlen getrübt", "traumatisiert", sprich: unfähig zur objektiven Erkenntnis. Oder anders ausgedrückt: Auschwitz hat - verständlicherweise - ihr Hirn getrübt, weil sie etwas begreifen wollten, was nicht zu begreifen ist, und deshalb besser vergessen, verdrängt oder tabuisiert werden muß. ++++ Die Alternative, welche Heinz Xanthippa im Titel seines Artikels aufmacht ("Revolution oder Bomber Harris ?"), hat sich historisch in Deutschland nicht gestellt. Befreit wurden die Insassen der Lager und Gefängnisse, die Zwangsarbeiter und Versteckten in diesem Land nicht durch eine Revolution, sondern durch die Alliierten. Das deutsche Volk stand pflichtbewußt zum nationalen Auftrag, bis zum bitteren Ende und nach dem Sieg der Alliierten fühlte sich die Mehrheit der Deutschen erobert, nicht befreit. Je nach Sichtweise und Überlebensfrage war die Bombardierung deutscher Städte Terror, oder sehnlichst erwarteter Vorbote der Befreiung. "Mir", so schreibt Ralph Giordano "dem zwischen 1940 und 1945 die Bomben des alliierten Luftkriegs nur so um die Ohren gerauscht sind und dessen Familie dabei alles Hab und Gut verloren hat - ohne daß mir auch nur ein einziges Mal gekommen wäre, daß dies ein `ungerechter Krieg' sei. Sie blieben meine Verbündeten da oben, in ihren `fliegenden Festungen', auch dann, wenn ich es lieber gesehen hätte, sie würden ihre gesamte Bombenlast auf das Eisenbahnsystem, über Krupp, Thyssen und IG-Farben-Fabriken abgeladen haben, statt in Verkennung der unerschöpflichen Leidensbereitschaft der damaligen Deutschen im Dienste Hitlers, die deutschen Städte auszulöschen." Der britische Luftwaffengeneral Harris ist in Deutschland verhaßter als der Reichs-Luftfahrtsminister Hermann Göring.13) Und zwar deshalb, weil unter seinem Kommando die Bombardements der Royal Air Force gegen Nazi-Deutschland begannen. Aber das Ziel "der Mehrheit der deutschen Zivilisten die äußersten Schrecken des Krieges ins Heim zu bringen", (Britisches Kriegskabinett, 1942) um durch "moral bombing" die deutsche Bevölkerung zu demoralisieren, damit sie gegen die Nationalsozialisten revoltiert, konnte nicht erreicht werden. Daß die "unerschöpfliche Leidensbereitschaft der damaligen Deutschen im Dienste Hitlers" dadurch nicht gebrochen werden konnte, kann nicht der RAF zum Vorwurf gemacht werden. Sie haben alles versucht. Was in Italien zum Teil gelang, ("daß große Gruppen der italienischen Arbeiterschaft im März 1943 offen gegen das faschistische Regime auftraten", weil dieses "im Hagel der Bomben nicht nur als korrupt, sondern auch als machtlos und unfähig" dastand. Olaf Groehler, zitiert bei J. Elsässer, Konkret 7/92), scheiterte in Deutschland an den geschlossenen Reihen der Volksgemeinschaft. Die Deutschen leiden nicht unter den Bombenangriffen ihrer Luftwaffe auf Guernika, Rotterdam, Coventry, Swansea oder Belgrad, auch nicht an den Vernichtungsfeldzügen gegen Kiew, Leningrad oder Stalingrad. Bei der Belagerung von Leningrad 1941 durch die Wehrmacht, die fast zweieinhalb Jahre dauerte, wurden 1,2 Millionen Menschen durch Hunger und Bomben umgebracht (auch Bundespräsident Weizsäcker war unter den Belagerern). Auf den Flugblättern, mit denen das Bombardement am 7. November 1941, am 24. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, eingeleitet wurde, stand: "Zieht eure weißen Kleider an. Eßt das Totenmahl. Legt euch in die Särge, und macht euch bereit zu sterben." Damit haben die heutigen Deutschen nichts zu tun. Dresden, Hamburg, Köln, Pforzheim heißen die Städte ihres Leids und ihrer Gedenktage. Mit den Taten und Folgen ihrer Eltern und Großeltern im Nationalsozialismus möchten sie nicht länger belästigt werden; für die Toten der alliierten Bombardements legen sie noch heute Kränze nieder. Der 8. März 1945 ist für sie der Tag der "Kapitulation", der Tag ihrer "Niederlage". Nicht der Tag der Befreiung, der Tag des Endes der systematischen Ermordung und Vertreibung europäischer Juden, Sinti und Roma, Behinderten, Homosexuellen, Linken u.a. Die für ein starkes, wiedervereinigtes Deutschland notwendige Umwertung der Geschichte entspricht dieser Gefühlslage. Das neue Selbstbewußtsein der Nation konstruiert sich aus der Aktualisierung von Ressentiments und geschichtlicher Kontinuität. Während z. B. mit der Jubiläumsfeier für den V2- Start vor 50 Jahren in Peenemünde (- am Protest des Auslandes gescheitert -), die Elite der Gesellschaft an hervorragende Leistungen der deutschen Forschung und Industrie anknüpft, feiert und inszeniert sich die deutsche Bevölkerung nach dem Motto der Lichterkette in Magdeburg: Gegen Fremdenhaß und gleichzeitigem Gedenken an die Bombardierung der Stadt durch die Alliierten vor 48 Jahren (die Deutschen waren und sind die eigentlichen Opfer in der Geschichte und der Gegenwart). Dieser Konsens und Gleichklang von Masse und Führung in der Reparatur des "beschädigten kollektiven Narzißismus" braucht in Deutschland nicht verordnet zu werden, er ist einfach da. Fast wie ein Naturgesetz. +++++ Noch ist das deutsche Volk für Xanthippa nicht verloren und er begeistert sich insbesondere für die Arbeiterklasse: "Er (der Proletarier) entwickelt nicht Lebensverhältnisse, sondern Kampftätigkeit, die sich am Gegner orientiert ... diese historische Stufe proletarischer Öffentlichkeit als Notwehrorganisation der Arbeiterklasse, in der die proletarischen Eigenschaften der Individuen als verdinglichte zu proletarischen Charaktern zusammengefaßt werden, hat ihre Hauptfunktion darin, die Individuen vor einem direkten Einfluß bürgerlicher Ideologien und Interessen zu schützen." (Negt/Kluge) Auch 9(!) "proletarisch" in einem(!) Zitat (mehr wie vier haben wir nicht ausgehalten) machen die deutsche Arbeiterklasse nicht besser. Wer mit diesem Volk noch einiges vor hat, läßt sich auch nicht durch den erbärmlichsten Zustand der deutschen "Massen" davon abhalten, großartige Programme zu entwerfen: "Zum Tag der hoffentlich stattfindenden Blockade: stark wäre es, wenn zeitgleich an vielen Orten Demonstrationen, Uni- und Schulstreiks, Demos, Arbeitsniederlegungen(! - Ausrufezeichen im Original) , Blockaden, Besetzungen, Sit und Go-ins bei Parteien und Behörden etc. stattfinden." (Swing 50/93)14) Während er darüber sinniert, wie diese Arbeiterklasse aufgeklärt, organisiert und zu "Arbeitsniederlegungen" geführt werden kann, lebt diese ihren Rassismus in Rostock, Mölln, Hünxe, Ravensbrück, Schönau und überall aus. Während der Arbeit konnten die "Proletarier" aus Mannheim/Schönau nicht vor dem Wohnheim randalieren und die Flüchtlinge angreifen. Was spricht da für Streik ? Wir wollen es bei diesen Ausführungen
zum Beitrag von Heinz Xanthippa belassen.
++++++ Mit dem Frühling erwacht auch
der deutsche Mob aus seinem "Winterschlaf". Er hat sich in den letzten
Monaten etwas zurückgehalten und die Ergebnisse der staatlichen Planstellen
abgewartet. Jetzt wird in Rostock-Hinrichshagen der nächste rassistische
Aufstand gegen die Flüchtlinge vorberereitet. "Bild", das "Zentralorgan
der deutschen Arbeiterklasse", kann es kaum erwarten und titelt am 11.
März: "Asyl ! Neuer Haß in Rostock. Gewalt, Schüsse, es
geht wieder los." Die aktuellen Nachrichten zu Rostock im TV beginnen mit
dem Hinweis, daß sich dort "Unruhe" breitmacht. Innenminister Rudi
Geil und seine Landräte in Mecklenburg-Vorpommern "können nicht
mehr". Und wenn Deutsche nicht mehr können, sie sich bedroht fühlen,
wird es für "Fremde" ernst. Die Polizei gibt "sich alle Mühe
durch ´starke Präsenz´ an der Hinrichshagener ZASt das
´Sicherheitsgefühl der Bürger(!) zu stärken." (FR
v. 12.3.)
Der folgende Beitrag von
Cafe Morgenland wurde auf zwei Veranstaltungen (im Exzess am 23.2. und
in der Camera am 10.3.) vorgetragen und zur Diskussion gestellt.
Im Würgegriff der Lichterketten "Die Situation eines Nazigegners ähnelte dem Schicksal eines normalen Menschen, der zufällig in eine Nervenheilanstalt gesteckt wird, in der alle Insassen an ein und der selben Wahnvorstellung leiden: Unter solchen Umständen wird es schwierig, seinen eigenen Sinnen noch zu trauen. Und es bestand die dauernde Belastung, sich gemäß den Regeln der kranken Umgebung verhalten zu müssen, die schließlich die einzig greifbare Realität war, in welche es sich ein Mensch niemals leisten durfte, den Orientierungssinn zu verlieren. Diese Situation verlangte ein hellwaches Bewußtsein der gesamten eigenen Existenz, eine Aufmerksamkeit, die niemals in die automatischen Reaktionen zurückfallen durfte, mit denen wir den Alltag meistern". (Hannah Arendt). Kaum sind die Kerzen wieder erloschen und die Panorama-Bilder aus Lichtermeeren und deutscher Innerlichkeit vom Bildschirm verschwunden, kaum sind die Anlagen der "ausländerfreundlichen" Rock-Konzerte "Mein Freund ist Neger" wieder abgebaut, schon werden wir überhäuft von offenen, unverhüllten Sympathien mit den "Guten Deutschen", die den lang ersehnten Schritt in die richtige Richtung getan haben. "Während in den letzten Jahren Angriffe auf Menschen aus anderen Ländern zur Tagesordnung gehörten, die rassistischen Stimmen zunehmen und die Mehrheit dazu schwieg, ist die Stimmung seit den Morden von Mölln in der Öffentlichkeit umgeschlagen. Seit dieser Zeit gingen bei Großveranstaltungen über 1 Millionen Menschen auf die Straße. Aber auch in vielen kleineren Städten wurden Kundgebungen, Schweigemärsche und Demonstrationen durchgeführt. Seit langer Zeit haben nicht mehr so viele Menschen an diversen Veranstaltungen teilgenommen. Wir begrüßen dieses Engagement und fordern alle dazu auf, weiterhin nicht zu schweigen oder besser noch - einzugreifen. Die bloße Teilnahme an diesen gut inszenierten Großveranstaltungen verkommen zur Farce, wenn die politisch Verantwortlichen nicht genannt werden." (Aktionskalender der antirassistischen-antifaschistischen Aktionswoche) Fahrplanmässig sind inzwischen
die täglichen Meldungen von Überfällen und Brandanschlägen
miniaturisiert worden und in den hinteren Zeitungsseiten versteckt oder
ganz verschwunden.
In altbekannter Manier wurden wir definitiv
über unseren Irrtum aufgeklärt: Motto der Blockade "Die BrandstifterInnen
sitzen in Bonn".
Schade! Nichtmal das Rostocker Exemplar (den mit der ausgestreckten Hand und der verpissten Trainingshose) dürfen wir behalten. Denn "Die BrandstifterInnen sitzen in Bonn". Mindestens den hättet ihr uns aber lassen können. So als Prototyp einer Nation, die ihre Identität wiedergefunden hat. Spaß bei Seite:
Dabei geht es nicht um die Form. Denn
es ist offensichtlich, daß es sich optisch zumindest um zwei verschiedene
Aktionsformen handelt, geschweige denn, was die Militanz betrifft.
Auch wenn es keiner mehr hören
will: Seit 1990, im Zuge der Wiedervereinigung, hat eine überwältigende
Bevölkerungsmehrheit in diesem Land in gewohnter Arbeitsteilung (aktiv
oder passiv) begonnen, nichtdeutsche Menschen und deren Kinder zu verbrennen,
totzuschlagen, zu verjagen sowie deren Leben, Nacht für Nacht, zur
Hölle zu machen.
Sie tat es nicht, weil das kollektive Vergessen über die Taten ihrer Eltern und Großeltern eingesetzt hat, sondern und gerade deswegen: Im Wissen aus kollektiver Erfahrung um die Vergangenheit. Sie hat weder geschwiegen noch war sie mit ihrem Eingreifen zimperlich. Tausende von Lichtenhagenern und Schönauern, von Goldbergern und Hünxenern, von Hoyerswerdenern und Cottbussern haben das Völkische Moment zu einem konstituierenden Element ihrer Gemeinschaft erhoben. Die Aufforderung also, noch mehr einzugreifen,
bekommt angesichts dieser realen Verhältnisse- auch wenn es nicht
so gemeint ist - einen bedrohlichen Beigeschmack.
"STERN: Warum sind Sie denn in der Krawallnacht überhaupt nach Lichtenhagen rausgefahren? EWERT:Aus Neugierde. Wir hatten das im Fernsehen gesehen. Die Nachbarn sind auch alle mitgefahren. STERN: Und warum haben Sie den Hitler-Gruß gemacht? EWERT: Das ging ganz automatisch. STERN: Sind Sie ein Rechter, Herr Ewert? EWERTt: Ich bin kein Nazi. Mit Schönhuber und den Glatzen hab´ich nichts am Hut. STERN: Was halten Sie denn von den Ausländern? EWERT: Die sollen sie vernünftig unterbringen. Und die Ausländer sollen sich anständig benehmen, ihre Kinder in die Schule schicken und nicht zum Betteln. STERN Sie sehen auf dem Bild nicht gerade taufrisch aus. ... STERN: Was würden Sie gerne machen ? EWERT: Ich möchte mal wieder auf der Landstraße liegen, mit einem vernünftigen LKW." (Ewert ist
der Typ mit der verpißten Hose in Rostock)
Im Laufe der Zeit haben sie ihre Angriffe auf alles Undeutsche ausgeweitet: Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle usw. Und weil in diesem Land die Identifikation mit den Pogromen zwangsläufig über die Trümmer von KZ-Gedenkstätten und Jüdischen Friedhöfe läuft, wurden sie ebenfalls zu Angriffsobjekten gemacht. Diejenigen Deutschen, die denen im Wege standen, sich eingemischt haben, Widerstand geleistet haben, wurden ebenfalls angegriffen bzw. umgebracht. Die Mehrheit derer, die diese Taten vollbrachten und weiterhin tun, waren und sind nicht der Rand, sondern die Mitte dieser Gesellschaft (richtige autonome Weisheit der Neuzeit). Der Rest der Bevölkerungsmehrheit,
der nicht in den Genuß des handelnden Subjekts kommen konnte (denn
ein erfolgreicher Brandanschlag setzt das Aufspüren der Opfer, das
Observieren des Angriffsobjektes wg. des richtigen Zeitpunkts, Ortskenntnisse
sowie weitere logistische Arbeiten voraus), hat sich entweder durch die
Live-Übertragungen aufgegeilt oder seinen Vergasungsphantasien vor
gleichgesinntem Publikum in den Stammkneipen bzw. in den vereinten Familienrunden
freien Lauf gelassen, sowie jede Gelegenheit genutzt, Angehörige der
stigmatisierten Gruppe fertigzumachen.
Das sog. "Liberale Bürgertum"
bzw. die System-Linke hat entweder den unbeteiligten Zuschauer gespielt
oder noch schlimmer "Alternativ-Lösungen" aus dem Hut gezaubert: "Quotierungen",
"Schnellverfahren" oder gar die TäterInnen zu Opfern erklärt.
Die Rechnung ist aber nur teilweise
aufgegangen: Einerseits, weil sie mit der zur Zeit bevorzugten kapitalistischen
Rationalität kollidiert, und andererseits, weil es noch zu früh
war, um die Meinung im Ausland, die über dieses Land, sein Volk und
seine Taten hochkam, zu ignorieren.
Darüber hinaus wurde klar, daß
dem Anliegen der deutschen Bevölkerung mit solchen Mitteln bei weitem
nicht geholfen werden konnte. Effektivere Mittel mußten her. Schnellverfahren
bzw. Abschottung und Radar-Anlagen an den Grenzen, organisierte staatliche
Terrorisierung der stigmatisierten Gruppe (wg. der Kontrollierbarkeit der
Handlungen) usw. bis hin zu Grundgesetzänderung.
Deswegen gehen wir auch davon aus, daß die Mehrheit der Lichterkettengestalten und -gestalter gegen die blutige Variante des Rassismus (Nazis) sind. Übrigens auch eine ganze Menge Lichtenhagener waren nach den Pogromen gegen die Glatzen, "als deren Trabis brannten". Dieser Konsens bedurfte aber einer politischen Manifestation. Eine, die sowohl der Tradition als auch dem Bewußtsein der deutschen Bevölkerung entspricht. Bekanntlich erzeugt das reinigende Feuer in diesem Land eine besondere Faszination. Es ist sozusagen fest im Alltag verankert "Es wird nicht lange gefackelt", sagt der deutsche Volksmund. Und meint das ernst. Aufgrund der Vergangenheit durfte aber diese Assoziation nicht hochkommen. Sonst wäre ja der Trick aufgeflogen. Stellt euch folgenden Zeitungstitel vor: "Fackelzüge marschieren am Brandenburger Tor gegen Ausländerfeindlichkeit". Wer würde so was noch abnehmen? Auf das Symbol "reinigende Flammen" verzichten konnte man nicht, sonst wären die Massen ja nicht angezogen worden. Man entschloß sich zu dem Kerzenkompromiß. Handlich, religiös, mehrfach verwendbar. Entgegen anderslautenden Gerüchten sogar umweltfreundlich. Das Ganze wurde mit modernem Know-How von Werbeagenturen umhüllt. Na, dann los. Da die Organisatoren (im Gegensatz zu vielen Linken) dieser Bevölkerung mitnichten trauten, wurde in Medien und über Flugblätter (wie in Berlin) vehement darauf hingewiesen, daß keine Fackeln mitgenommen werden dürfen (sicher ist sicher). Es waren auch weitere Gründe, die zu dieser Massenhaftigkeit beigetragen haben: Die Einsicht in die (kapitalistische) Notwendigkeit: Unsere Ausländer sichern unseren Wohlstand. Tausendfach nach den Morden in Mölln wiederholt. Mit Zahlen belegt. Mit Fakten gedroht. Und es war so zu nehmen, wie es gesagt wurde. "Unsere" Ausländer. "Unser" Wohlstand. Für ein großen Teil der deutschen TeilnehmerInnen der Lichter- und Rockkonzert-Ketten schien das außerdem ein willkommener Anlaß zu sein, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Für viele "war es zum ersten mal möglich, stolz darauf zu sein, ein Deutscher zu sein". Dies scheint uns eine zweite wichtige, nach innen gerichtete, Funktion zu sein. Der Phönix taucht nun im Lodern des Kerzenscheins, angeblich vom Schatten der Vergangenheit geläutert, wieder auf. Und schließlich, der lang ersehnte Sommer-Urlaub schien unangenehm zu werden. Damit hat die Bild-Zeitung mehr mobilisiert als alle Aufklärungskampagnen zusammen. Titelseite: "Deutscher im Ausland bespuckt". Da muß man was tun. Kein Reisebüro kann das erledigen oder das Risiko wg. Schadensersatz übernehmen. Und es kamen alle. Die kirchlichen und zivilen Repressionsinstitutionen (Pfaffen und Polizei) haben das Organisatorische übernommen. Politiker und ihre Wähler bildeten die Füllmasse. Der Pakt mit dem Pack war komplett (nicht nur in Rostock). Kilometerlange Ketten haben während der SPD/CDU-Verhandlungen über die Abschaffung des Asylrechts die Voraussetzungen bzw. die Kulissen geschaffen, um die Einigung in Sache Asyl zu erzielen. Wiedermal kannte dieses Volk keine Parteien und keine Ideologien mehr. Insbesondere dann nicht, wenn das "Ansehen unseres Landes", wie die Weizsäckers zu sagen pflegen, in Gefahr ist. Nicht mal das Minimum an Taktgefühl waren sie bereit vorzuweisen: Der Oppositionsführer Engholm ging vormittags zur Besichtigung des ausgebrannten Hauses in Mölln und nachmittags zu den Asylverhandlungen. Dieses Zeichen ist millionenfach richtig verstanden worden. Es war klar, worum es geht. Kilometerlange Ketten haben dieses gute Gewissen geschaffen, mit dem man im Alltag ohne Makel seinen Rassismus ausleben kann. Kilometerlange Ketten haben das Gefühl, eine betroffenen Volksgemeinschaft zu sein, wiederbelebt, nach dem dies durch den Ost-West Konflikt (Ossis-Wessis) arg strapaziert wurde. Was wir vorhin mit dem Marsch am Brandenburger Tor ironisch sagten, ist inzwischen eine ekelhafte Realität geworden: In Magdeburg sind die Lichterketten gegen die Bombardements der Alliierten im 2. Weltkrieg und gegen Ausländerfeindlichkeit gelaufen bzw. gestanden. In Leipzig ebenfalls. Dazu kamen noch die Großmacht-Ambitionen: "Solidarität mit Sarajevo". Es war also sozusagen jeden Tag eine Tag-X. Dort auf den Straßen der großen und kleinen deutschen Städte ist die Entscheidung für die Abschaffung des Asylrechts gefallen. Bei den großangelegten Manifestationen und bei den Gottesdiensten. In unzähligen Versammlungen und Veranstaltungen. Im Bundestag werden nur noch die parlamentarischen Spielregeln durchgekaut. Wenn also die Aufforderung nicht zu schweigen einen Sinn haben soll, dann und zuerst an die deutsche Linke: Zwischen den Herrschenden und den Nazis bzw. Glatzen liegt nicht die große Unbekannte, sondern die Mitte dieser Gesellschaft. Da sie fast 80 Millionen inzwischen umfaßt, ist sie nicht zu übersehen. Nicht zu übersehen ist es auch, daß sie ganz klar artikulierte Interessen hat, die durch den Asyl-Beschluß zum größten Teil wahrgenommen werden. Sie zu ignorieren oder schlimmer noch zu loben für die Wahrnehmung ihrer Interessen (die nicht die Interessen der Flüchtlinge sind), kann nicht mehr als eine Flapsigkeit betrachtet werden. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob die Legislative (deutsches Parlament) Gesetze verabschiedet, damit die Exekutive und nicht der Mob die Angriffe gegen die stigmatisierte Gruppe übernimmt oder ob ein Gegensatz zwischen Herrschenden und "Beherrschten" in Sache Asyl suggeriert wird. Warum aber dieses Verhalten ? Nun, die Geschichte ist ja in der Tat verlockend, so daß Mann/Frau sie gern für die Wirklichkeit hält. Alle Fragen, die bisher nicht befriedigend beantwortet werden konnten, erübrigen sich. Es gibt also doch nichts Besonderes in diesem Land, hallt es triumphierend aus den Leerstellen zwischen den Zeilen. Mann/Frau kann fortfahren, Politik zu betreiben wie bisher. Mann/Frau kann fortfahren mit jenen mysteriösen Versuchen, die Bevölkerung durch sozialarbeiterische Umarmungen schleichend zu vereinnahmen. Mann/Frau kann weiterhin Politik aus seinen/ihren nationalen Bezugsrahmen und Perspektiven herausmachen, in der Fremde nur als exotische Randfiguren, als Objekte der eigenen Praxis vorkommen. So strotzt der Bonner Aufruf nur so vor Altruismus und Moral. Keinen Gedanken scheint Mann/Frau daran verschwendet zu haben, daß auch die direkt Betroffenen ihre Sache in die Hand nehmen könnten. Dort im Deutschen-Parlament wird der letzte Akt eines schmutzigen Theaters gespielt. In diesem Zusammenhang (wie oben erwähnt wurde) ist es richtig und wichtig unseren Protest auszudrücken: Es geht uns, dies dürfte soweit klar geworden sein, mitnichten darum zu zeigen, daß es in diesem Land auch gute Deutsche gibt, die für den Erhalt elementarer Grundrechte kämpfen. Es geht uns darum dieses land der BrandstifterInnen öffentlich international zu denunzieren. Weil wir wissen was es bedeutet wenn der deutsche Staat sich den rassistischen Handlungsbedarf der Bevölkerung zu eigen macht. Diese Bevölkerung hat gerade letzten Sonntag in Hessen wiedermal den Wahlschein als Waffenschein benutzt und sich für das Original entschieden. Wir bleiben dabei: Die BrandstifterInnen sitzen überall. In Nachbarshaus und in Bonn. Bei den Institutionen und in der U-Bahn gegenüber. Im Wissen um die Freude von Millionen von "Wählern" bei Verabschiedung des Gesetzes wollen wir denen in Parlament und denen auf dem Fernsehsessel - so weit wie möglich - die Laune verderben. Daher rufen wir auf nach Bonn nicht wegen sondern trotz solcher Aufrufe. Aber auch um uns auf die Tage danach vorzubereiten. Denn wenn die Bühnenlichter ausgemacht werden, wenn die Hauptdarsteller und die Komparsen nach getanener Arbeit sich zurückziehen werden, werden wir anfangen müssen mit dem Scherbenhaufen, der hinterlassen wurde, aufzuräumen. Es wird eine langwierige und anstrengende Geschichte werden. Denn die Zeichen, die durch Lichterketten und andere Formen des Germanen-Kults gesetzt wurden, werden uns - entgegen anderslautenden Verlautbarungen - mehr zu schaffen machen als das klare Feindbild der Glatzen. Im Wissen jetzt über die Fähigkeiten dieser Population (wir trauen denen nach wie vor alles zu) werden wir unseren Blick weiterhin schärfen auf diejenigen, die ihre Haare wieder wachsen lassen und auf diejenigen, die sich nie geschoren haben. Es ist höchste Zeit, daß sich die, denen das Privileg sich in der BRD niederzulassen noch zuteil wurde, sich selbst endlich offen und sichtbar gegen den rassistischen Konsens organisieren und schützen. Wir wollen die Gelegenheit nutzen um deutlich zu machen, daß wir eigenständige politische Subjekte sind, die für die Abschaffung aller Sonderrechte für Menschen ohne deutschen Paß eintreten. Diese Punkte und die Schaffung eines effektiven MigrantInnen-Drucks gegen das Ausleben des Rassismus in diesem Land werden mittel- und langfristig über unseren weiteren Verbleib in diesem Land entscheiden. Bis dahin: Nadelstiche und subversive Migration. Denn wir werden nie mehr vergessen, was bisher gelaufen ist. Nie wieder werden wir uns auf unsere Phantasie verlassen, über das was hier möglich ist. Sie ist - angesichts der bisherigen Erfahrung - unbrauchbar. "Das Beunruhigende an der Person Eichmanns war doch gerade, daß er war wie viele und daß diese vielen weder pervers noch sadistisch, sondern schrecklich und erschreckend normal waren und sind." (Hannah Ahrendt, "Eichmann in Jerusalem") Wenn Du von RassistInnen angegriffen
wirst, muß Du dafür sorgen, daß sie es NIE WIEDER tun.
Cafe Morgenland
Fußnoten 1 Als der Physiker Max Planck 1933 gegenüber Hitler einwandte "daß es doch verschiedenartige Juden gäbe, für die Menschheit wertvolle und wertlose" daß der Verzicht auf die hochqualifizierte Juden in der Wissenschaft geradezu eine Selbstverstümmelung wäre, erwiderte Hitler: "Jud ist Jud". (Raul Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer) Die Integration und Nützlichkeit der deutschen Juden bewahrte sie nicht vor Ermordung und Vertreibung. Nach der erfolgreichen Vernichtung der europäischen Juden bemitleideten sich die Deutschen wegen des großen Verlustes für das deutsche Kultur- und Geistesleben. Die posthume Re-Integration der Ermordeten war was für's Gemüt der Nachkriegsdeutschen. 2 Es gibt Aufrufe
seitens des "linksliberalen" Spektrums,
die gänzlich auf die Erwähnung der Angegriffenen, Verletzten,
Getöteten, Abgeschobenen verzichten können, um ihren Protest
in diesem Land zu legitimieren. (z.B. "Aufruf den deutschen Bundestag friedlich
zu belagern" vom 30.1.1993, unterzeichnet von Vack/Narr/Hirsch)
3 Wieviel Vertrauen diese Initiative in die deutsche Bevölkerung hat, dokumentiert sie in einem Ausblick: "Auch wenn es zur Zeit utopisch erscheint, die Vorstellung, z. b. große ehemalige Kasernenanlagen in Gelnhausen oder Hanau für gemeinsame offene Wohnprojekte von Deutschen, MigrantInnen und Flüchtlingen zu nutzen, ist noch nicht verlorengegangen." Ihre Rechnung ist einfach: Deutsche keine Wohnung, Flüchtlinge keine Wohnung, also zusammen wohnen. Was sie nicht verstanden haben, ist, daß Wohnungslosigkeit bei Deutschen scheinbar zwangsläufig zu Rassismus führt. Es wäre nicht das erste Mal, daß Deutsche, die mit Flüchtlingen in einem Wohnheim zusammenleben, sich an den Angriffen gegen ihre "Nachbarn" beteiligt hätten. 4 In Stellungnahmen zur "Asylpolitik" wird die Einheitsfrontpolitik geübt: Einen Aufruf zur "Verteidigung" einer "offenen und toleranten Gesellschaft" und für "eine pragmatische und humane Einwanderungspolitik" haben unter anderem unterzeichnet: Fischbach (Arbeitgeberverband Hessen Metall); Bierbaum (Vorsitzender IG Metall, Bezirk Frankfurt); Joschka Fischer; Hesselbach ("Die Welt"); Hooge (Vorsitzender DGB); von Vieregge (Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände); OB Frankfurt von Schoeler; Heinz Schenk; Joscha Schmierer (ehem. ZL d. KBW) usw. Das deutsche Volk schließt sich in der rassistischen "Asylpolitik" zusammen und kennt keine Klassen, keine Interessen, keine Täter mehr. Nur noch eine "zivile Gesellschaft". 5 Im Zusammenhang
mit dieser Auseinandersetzung sind in der Swing bisher erschienen:
6 So schrieb die
Swing-Redaktion in Nr. 49:
7 In Swing Nr. 45 wurden wir schon von den "Unverbesserlichen" aus der linken Szene hinausgeschrieben: "Das einzig Gute an dem Text ist eure permanente Distanzierung von der Linken. Ihr gehört also nicht dazu. (Wäre ja auch noch schöner!)" (29) 8 Auch die "autonome antiimperialistin" in Swing 45,Sept.92 meinte solches erkennen zu können: "zweimal wird in der fluchschrift festgestellt, daß ohne eine zerstörung deutschlands eine befreiung nicht möglich ist, diesem satz kann ich nur zustimmen. allerdings meint er für mich die zerstörung des staates, die zerstörung der herrschaftsstrukturen auf jeder ebene und in jeder form". (Wieso sollten wir dies nicht auch "meinen" ?) "aus dem gesamten kontext der fluchschrift wird hingegen (?) deutlich (?), daß hier die zerstörung der deutschen, also der menschen, die in diesem land leben, gemeint ist." (S. 31) Abgesehen davon, daß nebenbei alle Menschen, die in Deutschland leben, eingedeutscht werden (Integration auf "autonom-antiimperialistisch" ?), geht "aus dem gesamten Kontext" der Fluchschrift keinerlei solchen Blödsinns hervor. Das muß schon öfter behauptet werden, damit es auch geglaubt wird. 9 Obwohl Heinz am Anfang seines Artikels behauptet, "die kritisierten Positionen (zu) benennen und zu zitieren" hält er sich mit dem Zitieren doch sehr zurück. Wahrscheinlich in der Gewißheit, daß seine Behauptungen durch die Fluchschrift nicht gedeckt werden können. Er hält es mehr mit dem "Interpretieren". 10 Der Mann in Rostock mit Deutschland-Hemd, Hitler-Gruß und verpisster Hose antwortete auf die Frage, warum er den Gruß gemacht habe: "Das ging ganz automatisch". Wahrscheinlich ging das mit der Hose auch ganz automatisch, als er das brennende Wohnheim sah. 11 Allein die Reihenfolge in dieser Aufzählung verweist schon auf ein getrübtes Verhältnis zur Realität. 12 Es ist gerade jene Indifferenz gegenüber der Vernichtung der europäischen Juden und der Aktualisierung der antisemitischen und rassistischen Angriffe in Deutschland, die manche Juden, die aus Deutschland weggehen, weil sie die Bedrohung sehen, an ihren nichtjüdischen FreundInnen kritisieren. 13 Im Mai 1992 gab es in Deutschland eine Protestwelle gegen die Enthüllung eines Kriegerdenkmals für Harris in London. In der "Welt" wird er als ein "Architekt der Vernichtung" bezeichnet, im Spiegel als denjenigen, der den "ersten vornuklearen Massenmord aus der Luft" organisiert habe. Dregger nennt ihn einen "Technokraten des Krieges ... der von der hybriden Idee besessen war, mit Bombenterror den Kriegsgegner gefügig zu machen." (FAZ) Die NS-Mitmacher oder Nachkommen wissen, von was sie reden. 14 Die
interessierte falsche Wahrnehmung der aktuellen Realität verträgt
sich mit der Ignoranz gegenüber der deutschen Vegangenheit: "Diese
Linke, die das deutsche Volk so umsorgt, Kritik an den Massen möglichst
vermeidet und "Erziehung" und "Therapien" empfiehlt, ignoriert nicht nur
den aktuellen Zustand dieses Volkes, sondern ignoriert auch dessen Taten
in der Geschichte. Mehrheitlich waren die Deutschen in irgend einer Funktion
(und wenn sie noch so banal erschien) an der Vernichtung der europäischen
Juden im Nationalsozialismus beteiligt. Und sie werden es wieder tun, wenn
es auf höchster Ebene beschlossen wird, und es wieder ganz normal
finden, wenn sie von Angriffen, Vertreibungen, Ermordungen mitbekommen
(oder mitmachen). Den Linksradikalen ist es noch nicht einmal im Bewußtsein,
daß sie dies zum Thema machen und damit reflektieren müßten."
(Fluchschrift Nr. 1,S.3)
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