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Deutsche Vergasungsexperten und Tierschutz

 
SZ v. 13.01.2006

Gas gegen Vogelgrippe

Wie deutsche Behörden im Notfall Hühner töten würden

Sollten die Fernsehbilder repräsentativ sein, werden die Hühner in der Türkei auf besonders grausame Weise getötet: Männer in weißen Schutzanzügen sind zu sehen, wie sie die lebenden Tiere in einen Plastiksack stopfen, zu den darin bereits umherschlagenden Artgenossen. Anschließend zeigt die Kamera, wie die Säcke in eine Grube geworfen werden, jemand Kalk darüber wirft und ein Bagger Erde hinein schaufelt - Seuchenbekämpfung findet also statt, indem man Tiere lebendig begräbt. Sind das die Bilder, die auch in Deutschland zu erwarten sind, falls hier die Vogelgrippe ausbricht?
Auf keinen Fall, versichern die Landwirtschaftsministerien der Länder, die für die Tierseuchenbekämpfung zuständig sind. Sollte es zur Tötung von Hühnern und Hähnen in großem Umfang kommen, werden die Tiere zum größten Teil mit Kohlendioxid vergast. Dies wird von den Behörden als schmerzfrei bezeichnet. Mobile Vergasungsanlagen gibt es in allen Bundesländern, zumeist wurden sie von den Landwirtschaftsministerien angeschafft, teilweise - wie in Rheinland-Pfalz - vom Geflügelzüchterverband.
Hessen zum Beispiel hält sechs solcher Anlagen bereit, sie können jeweils 400 Tiere pro Stunde töten. Sie sind in Wetzlar, also in der Mitte des Bundeslandes, gelagert. Im Ernstfall würde das Technische Hilfswerk (THW) sie von Hof zu Hof fahren; nach Angaben des Wiesbadener Landwirtschaftsministeriums reicht die Kapazität aus, um auf jedem Hof innerhalb von zwölf Stunden einsatzbereit zu sein. Anschließend werden die Kadaver bei 900 Grad Celsius in der Müllverbrennungsanlage verbrannt. Jeder einzelne Schritt sei geplant, versichern die Behörden; inklusive des Beistands von Pfarrern für die Hühnerzüchter.
In Niedersachsen, wo mit 72 Millionen Tieren die meisten Hühner in Deutschland leben, ist neben der Vergasung auch die Tötung im Elektrobad vorgesehen. Derzeit können 500 000 Hühner pro Tag getötet werden, von März an sogar 800 000. Im November übten Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und die Niederlande gemeinsam die Absperrung von Gebieten, Blutentnahmen bei Hühnern sowie deren Tötung, letzteres allerdings nicht an lebenden Tieren.
Zumindest in zwei türkischen Städten gilt eine besonders grausame Vorgehensweise als dokumentiert. Der türkische Fernsehsender NTV hatte aus der zentral-anatolischen Stadt Kayseri berichtet, wie dort die Tiere lebendig begraben wurden. In Kars an der armenischen Grenze ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft wegen Tierquälerei; auch dort wurden Hühner lebend in eine Grube geworfen. Inzwischen heißt es im türkischen Fernsehen jedoch, die Hühner würden mit Kohlendioxid vergast. Anschließend kommen sie aber nicht in eine Müllverbrennungsanlage, sondern sollen begraben werden.
In Deutschland machen sich Politiker und Verbandsvertreter unterdessen Gedanken um die finanziellen Folgen für die Bauern - und um die Kontrollen in den Nachbarländern. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) kritisierte vor allem laxe Kontrollen in Frankreich. „Es hat keinen Sinn, wenn in Hannover die Flugzeuge kontrolliert werden, in Frankreich aber nicht", sagte Ehlen der Süddeutschen Zeitung. Er forderte einheitlich strenge Kontrollen in Europa.
Für die Bundesregierung kündigte Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) an, eine Deklarationspflicht für Tierprodukte an Flughäfen anzustreben. Reisende müssten dann schriftlich angeben, dass sie kein Geflügel aus Ländern mit Vogelgrippe einführen. Die Regelung sei allerdings nur sinnvoll, wenn sie für die gesamte Europäische Union eingeführt würde, sagte Seehofer am Donnerstag vor der Eröffnung der Grünen Woche in Berlin. Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU), der in den Tagen zuvor die Praktiken in der Türkei heftig kritisiert hatte, sagte: „Der Schaden im Fall einer Einschleppung der Vogelgrippe wäre gigantisch." Nach Angaben von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wären allein in Bayern 31 Millionen Hühner und Hähne in Gefahr sowie 4,5 Millionen Legehennen. Der größte Betrieb in Bayern hat mehr als 900 000 Tiere.

Detlef Esslinger