Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main: Nazipropaganda pur
Das Filmmuseum in Frankfurt am Main bot einen geschichtlichen Relativierungsleckerbissen erster Sahne: Zwei Riefenstahl-Filme "Fest der Völker" und "Fest der Schönheit" standen auf dem Programm und das ohne störende kritische Bemerkungen vor oder nach den Film-Vorführungen. Ob die Programmverantwortlichen sich dachten, die Relativierung der deutschen Propaganda und Verbrechen sei schon soweit fortgeschritten, dass auf jegliche kritischen Kommentare verzichtet werden könne, oder ob die ausgewiesene Dummheit und Ignoranz der Programmchefin nur dazu reichte, schlecht fotokopierte Kritiktexte am Tresen für € 1.50 auszulegen - wer weiß. Klar ist, nationalsozialistische Propaganda konnte bis vor kurzem öffentlich nicht pur genossen werden, sie war immer mit einem Wermutstropfen in Form von Expertendiskussionen oder kritischen Einführungen versetzt.
Heute soll und kann im Filmmuseum alles gezeigt werden, allein der deutschen Regie-Kunst verpflichtet, Ideologie-befreite deutsche Filme für freie deutsche Bürger. 140 dieser besonders freien Bürger, also mehrheitlich alternativ linksdeutscher Mob, wollten sich das Schmankerl auf keinen Fall entgehen lassen; am Veranstaltungsabend gab es schon keine Karten mehr: ausverkauft.
Nichtsdestotrotz sollte ihnen die Suppe ein wenig versalzen werden. Etwa 30 Leute protestierten im Filmmuseum, der Eingang zum Kinosaal wurde blockiert, die Verantwortlichen ließen durch die Bullen abräumen, die stellten die Personalien von vier Personen fest.
Zum Protest hatte vor allem die Gruppe Sinistra! aufgerufen, genug sensibilisiert, um die Tragweite einer Veranstaltung zu erkennen, die sich einreiht in den Versuch, sich endlich die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen vom Hals zu schaffen; überzugehen zum alt- und alldeutschen Verlangen sich in der Welt als Opfer zu begreifen. Zu Bombennacht-Lamentation und -Diskussion, zu Vertriebenen-Quengelei und -Revanchismus, gesellt sich die gespielte Naivität mit scheinheiliger Leidenschaft Nazi-Propagandafilme hoffähig zu machen.
Unterstützt wurde der Protest auch vom Förderverein Roma, der insbesondere auf die Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma verwies, an der auch Frau Riefenstahl beteiligt war. Deren Mitglieder initiierten auch die Blockade, nachdem die verantwortliche Frau Stiefelmayer und ihr Adlatus von dem Abbruch der Film-Veranstaltung nichts wissen wollten.
Die etwa 140 anwesenden Cineasten und Riefenstahlfans mussten sich also gedulden. Bereits gestärkt und alkoholisiert im Museumscafé - schließlich musste man ja die schon vorbestellten Karten rechtzeitig abholen - sahen sie sich plötzlich einer kleinen Gruppe von Leuten gegenüber, die, mit dem Rücken zur Saaleingangstür, durch ein vor sich gehaltenes Transparent geschützt, dessen Aufschrift "Riefenstahl denken heißt Auschwitz denken" in der Enge nicht mehr zu lesen war, eine hilfreich-wirksame dennoch kaum stoffliche Barriere zwischen Belagerern und sich schafften.
So konfrontiert und am Einlass gehindert, traten nun die verschiedenen altlinken und junginteressierten Sozialcharaktere vor: "Wären Sie einverstanden, wenn wir Sie nun wegtragen, so etwa wie in Mutlangen?", wahrscheinlich wollte sich dieser Mittvierziger schon immer mal auf der Seite der pazifistischen Staatsgewalt fühlen und Hand anlegen; eine patent-energische Frau - mit entsprechendem Akzent - wollte wissen: "Haben Sie schon einmal in einer Diktatur gelebt?", das Unrechtsregime DDR hatte sie lange genug gehindert, Nazi-Propaganda zu sehen und erleben, so war sie rechtschaffen empört, dass auch der Ossi-Malus ihr keinen Zutritt verschaffte; ein ganz schlauer Schnösel fragte: "Warum haben Sie denn anlässlich der Stalinreihe nicht demonstriert?", offensichtlich war dies eine Soirée der Relativierer des Nationalsozialismus; zwei junge Frauen nölten: "Dürfen wir jetzt bitte da reiiin?!"; ein vierschrötiger, kurzgeschorener Honka (wohl der einzige offensichtliche Nazi) wollte gewaltsam die Kinotür mit oder über eine Blockiererin hinweg einschlagen (inzwischen war von innen verriegelt worden); eine Gruppe von Frauen versuchte sich im unstimmigen Rufen der Parole: "Meinungsfreiheit!"; eine Frau wollte von der Sinnlosigkeit der Blockade überzeugen: "Schauen Sie doch, die Leute sind doch aus dem gleichen Milieu wie Sie!" Man müsste ihr zu gute halten, dass sie dies nicht als Beleidigung gemeint hat.
Je nach Temperament, Geschlecht, sozialer und politischer Ausrichtung, jedes Argument an diesem Abend diente dem Versuch, die Blockierer zu "überreden" die Blockade zu beenden. Jede Gewaltandrohung, jedes vorgetragene Wissen über Gott und die Welt diente nur dem Zweck, sich die Filme reinziehen zu können. Von den Anwesenden hat jeder das Mittel angewendet, von dem er oder sie überzeugt waren, dass die Blockierer verschwinden würden. Letztlich stand dem gemeinsamen Willen, diesen Film sehen zu wollen, der Wille gegenüber, genau dies zu verhindern. Die Staatsgewalt setzte das Interesse der Museumsverantwortlichen durch, das Publikum hatte es lange genug gefordert und sah mit Genugtuung seinen formierten Willen als Mob exekutiert.
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Soweit der Verlauf dieses Kinoabends im Filmmuseum.
Dabei hätte es die Gruppe Sinistra! belassen können. Aber sie füllten ihren linksdeutschen Stammtisch, namens "Forum", mit einer merkwürdigen Mischung aus Prahlerei und Besserwisserei, und am Schluss veröffentlichten sie eine windelweiche Presseerklärung mit realpolitischer Perspektive. Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. Von dem Verlauf des Protestes, von der Anteilnahme der Frankfurter Rundschau am Geschehen völlig überrascht, wurden sie ganz wirre. Dabei war der Verlauf doch nur zum Teil ihr Verdienst. Am Veranstaltungsabend wurden sie von der Initiative zur Blockade vollkommen überrascht, regelrecht auf dem falschen Fuß erwischt.
Ihre anfängliche Zurückhaltung, die zögerliche Beweglichkeit und die Trägheit des Entschlusses sich der Blockade anzuschließen, begründet sich in ihrem ambivalenten Verhältnis zum Ort der Veranstaltung und dem anwesenden linksdeutschen Mob gegenüber. Sie hatten nicht geplant, diesen vom Besuch der Propaganda-Veranstaltung abzuhalten oder zu behindern. "Wir haben ja nichts dagegen, dass die Filme gezeigt werden, aber nur mit einem entsprechenden Beiprogramm", (keine Pille ohne warnenden Beipackzettel!), dies zeugt nicht gerade von einem entschlossenen Willen, die Vorführung zu durchkreuzen, eher von dem Versuch Kraft aufklärerischer Argumente, jenem Mob akademische Empfehlungen mit auf den Weg zu geben, der fest entschlossen war, seinen Willen auch mit Gewalt durchzusetzen.
Dieser Glaube an eine objektive Wahrheit bricht sich am Durchsetzungswillen eines faschistischen Bewusstseins, das sich mit einer nationalsozialistischen Propagandistin gemein machen will. Der Versuch, das Filmmuseum zu einem Ort der Aufklärung zu machen, ignoriert das Interesse der Riefenstahl-Fans, sich die Filme unbedingt reinziehen zu müssen. Da bleibt nichts von Aufklärung über faschistische Ästhetik und noch viel weniger von einer Kritik daran. Bewusstlos darüber, dass dieser Mob aufklärungsresistent ist und bleibt, führte Sinistra! am Abend der Veranstaltung einen munteren filmischen Diskurs, sie lieferte das vermisste kritische Beiprogramm.
Diese Abgeklärtheit in der Sache, verbunden mit einer Ignoranz gegenüber dem abscheulichen Interesse der Filmbesucher, bereitet den Boden für eine Abgebrühtheit, die kein Platz mehr für Zorn und Wut hat. Und deshalb auch nicht motivierend zu einer Blockade treibt.
Überrumpelt von der Dynamik des Geschehens schlossen sie sich der Blockade an.
Keine gute Ausgangslage, um in militante Konkurrenz zu einer Frankfurter Antifa zu treten und das Gerücht zu streuen, einige Antifas hätten sich den Film ansehen wollen bzw. wären anwesend gewesen und hätten den Protest boykottiert. Inmitten dieser Stimmungs-Küche ("Forum") braucht es keine Beweise.
Auch keine Genauigkeit. Noch Tage nach dem Protest konnten sie zwischen Roma-Union und Förderverein Roma nicht unterscheiden (alles Roma oder was?) und behaupten auch heute noch Roma hätten blockiert.
Ihre Aktivitäten landen letztlich in der Realpolitik. Die Pressemitteilung vom 16.01.2004 ("unsere allererste Presseerklärung" unterzeichnet vom Pressesprecher!) will nichts mehr wissen vom Cineasten-Mob, von Räumung durch die Polizei und anschließender Personalienfeststellung: Alles reduziert sich jetzt auf die politische Forderung nach Absetzung der Programmchefin, nicht anerkennend, das diese genau die richtige Besetzung für die Relativierung des Nationalsozialismus ist: dumm und dreist. Die Pressemitteilung ist vom Eifer beseelt, es besser machen zu wollen; die rebellische akademische Jugend schielt auf die Karriere - nicht nur im Filmmuseum -, erwirbt sich auf der Übungswiese des Protestes die kritische und soziale Kompetenz für ihre zukünftigen akademischen Posten und mischt sich ein in die Vergabe öffentlicher Stellen.
Ein Schelm, wer da ein Konkurrenzverhältnis vermutet.
Fluchschrift (Frankfurt am Main, 08.02.2004)