Kommandeur der
Sicherheitspolizei und des SD Shitomir
Berditschew, den 24.12.1942
Auf Anordnung erscheint der SS-Sturmscharführer u. Krim.-Obersekretär
Fritz Knop, 18.2.1897 in Neuklenz, Krs. Köslin, geboren, und macht
folgende Angaben:
Seit Mitte August bin ich Dienststellenleiter der Außendienststelle
Berditschew des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD in Shitomir.
Am 23.12.42 besichtigte der zur Zeit stellv. Kommandeur,
SS-Hauptsturmführer Kallbach, die hiesige Dienststelle und auch das
Arbeitserziehungslager, das meiner Dienststelle untersteht. In diesem
Arbeitserziehungslager befinden sich seit Ende Oktober oder Anfang
November 78 ehem. Kriegsgefangene, die aus dem Stalag in Shitomir s.Z.
entlassen waren, da sie nicht arbeitsfähig waren. Diese Kriegsgefangenen
sind damals m.W. in einer größeren Anzahl entlassen und dem Kommandeur der
Sipo und SD zur Verfügung gestellt worden. In Shitomir hat man dann von
ihnen eine kleine Anzahl noch einigermaßen arbeitsfähiger Männer
herausgesucht und die restlichen 78 dem hiesigen Arbeitslager überstellt.
[...]
Bei den sich im hiesigen Lager befindlichen 78 Kgf. handelte es sich
ausschließlich um Schwerkriegsbeschädigte. Einigen der Kgf. fehlten beide
Beine, einigen wiederum beide Arme, anderen wieder eins der Glieder. Nur
wenige von ihnen hatten wohl noch ihre Glieder, waren aber durch andere
Verwundungen so stark versehrt, daß sie irgendwelche Arbeiten nicht
verrichten konnten. Die letzteren hatten dann die anderen zu betreuen. Bei
der Besichtigung des Arbeitserziehungslagers am 23.12.1942 ordnete
SS-Hauptsturmführer Kallbach an, daß die inzwischen durch Todesfälle
übriggebliebenen 68 oder 70 Kgf. am heutigen Tage sonderzubehandeln sind.
Zu diesem Zweck stellte er einen Lkw mit dem Fahrer SS-Mann Schäfer von
der Kommandeurdienststelle zur Verfügung, der heute um 11.30 Uhr hier
eintraf. Mit den Vorbereitungen für die Exekution habe ich heute früh die
Angehörigen der hiesigen Dienststelle SS-Unterscharf. Paal, SS-Rottenf.
Hesselbach und SS-Sturmm. Vollprecht beauftragt. Von diesen drei Männern
beauftrage ich wieder Vollprecht als den Verantwortlichen. [...]
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Über die drei mit der Erschießung der
Kgf. beauftragten Männer war mir bekannt, daß sie bereits in Kiew bei
Großexekutionen von mehreren tausend Personen teilgenommen hatten. Auch an
der hiesigen Dienststelle waren sie in früherer Zeit, d.h. auch zu meiner
Zeit, mit Erschießungen von mehreren hundert Personen beauftragt. Aus
diesem Grunde und weil ich z. Z, mit Arbeit stark überlastet bin, habe ich
diesen drei Männern die Durchführung der heutigen Exekution überlassen und
als Verantwortlichen den Dienstältesten, SS-Unterscharf. Paal, bestimmt.
An Waffen führten die Männer eine deutsche MP., ein automatisches russ.
Gewehr, eine Pistole 08 und m. W. noch einen Karabiner bei sich. Ich
möchte noch bemerken, daß ich den SS-Hauptscharführer Wenzel als Beamten
den drei Männern beigeben wollte, daß dieses aber von dem SS-Sturmmann
Vollprecht mit dem Bemerken abgeschlagen wurde, sie seien zu dritt stark
genug.
Auf Vorhalt: Es ist mir nicht der Gedanke gekommen, durch ein größeres
Kommando den reibungslosen Verlauf der Exekution zu sichern, da die
Exekutionsstelle nicht einzusehen war und auch die Häftlinge durch ihre
körperliche Behinderung nicht fähig waren zu flüchten. Etwa gegen 15 Uhr
erhielt ich einen Anruf vom Stalag, daß ein Kamerad meiner Dienststelle
vom Sonderauftrag verwundet und ein Mann getötet sei, Darauf entsandte ich
sofort mit einem Fuhrwerk SS-Hauptscharführer Wenzel und
SS-Oberscharführer Fritsch zur Exekutionsstelle. Einige Zeit später
erhielt ich einen zweiten Anruf vom Stalag, wodurch mir mitgeteilt wurde,
daß 2wei Kameraden von der Dienststelle tot seien. Durch einen zufällig
bei meiner Dienststelle ankommenden Kraftwagen der Wehrmacht ließ ich mich
sofort zum Stalag fahren. Vor dem Stalag traf ich den Lkw der
Kommandeurstelle an, auf dem bereits die beiden erschossenen Kameraden
lagen. Hesselbach machte mir Meldung über den Vorfall. Danach hat
Hesselbach die Erschießung in der Grube vorgenommen, während die anderen
beiden Kameraden zur Bewachung in der Nähe des Wagens standen. Hesselbach
habe bereits drei Kgf. erschossen, der vierte stand neben ihm, als er
plötzlich oberhalb der Grube Schüsse hörte. Darauf erschoß er noch den
vierten Kgf., kletterte aus der Grube heraus und sah die Kgf.
auseinanderlaufen. Er hat hinter den Flüchtenden hergeschossen und nach
seiner Meinung zwei davon erschossen. Ich bin dann noch ins A. Lager
hinein gefahren und habe Anordnungen gegeben, daß die Häftlinge besonders
scharf bewacht werden. Eine Verstärkung der Wache konnte ich nicht
vornehmen, da ich nicht die nötigen Kräfte zur Verfügung habe. Auch von
anderen Pol.-Dienststellen konnte ich eine Verstärkung nicht bekommen, da
ich wußte, daß sie sich im Einsatz befinden. Hesselbach hatte an Ort und
Stelle beim Stalag bereits veranlaßt, daß ein Kommando von 20 Mann die
Gegend nach den Geflüchteten absuchte. Zur weiteren Fahndung habe ich dann
die Feldgendarmerie, Pol.-Gendarmerie und die Eisenbahnpolizei
verständigen lassen. Hesselbach, der Kraftfahrer und die beiden
nachgesandten Beamten haben die erschossenen Kgf. ordnungsmäßig mit Erde
bedeckt.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Vorfall bei der zweiten
Exekution geschehen ist. Dieser ist vorausgegangen eine Erschießung von
etwa 20 Kgf., ohne besonderen Zwischenfall. Unmittelbar nach meiner
Rückkehr habe ich fernmündlich dem Kommandeur in Shitomir Meldung
erstattet.
Weitere Angaben habe ich nicht zu machen. Ich versichere, daß sie
wahrheitsgemäß sind und bin darauf hingewiesen worden, daß bei nicht
wahrheitsgemäßen Angaben meine Bestrafung und Ausschluß aus der SS
erfolgt.
Geschlossen:
Kuntze
SS-Ostuf. Fritz Knop, SS-St.scharf.
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Weiter erscheint auf Anordnung der
SS-Rottenführer der Waffen-SS Friedrich Hesselbach 24.1.1909 in Feudingen,
Krs. Wittgenstein/Westf., geboren und macht folgende Angaben:
[...] Beim ersten Transport hatte auf Anweisung von Paal der Transport
fast ausschließlich aus Beinamputierten bestanden. Ich machte gegen diese
Einteilung, zunächst alle Beinamputierten heranzunehmen, den Einwand, daß
das nicht richtig wäre. Paal wies meinen Einwand jedoch zurück, mit dem
Bemerken, er hätte die Einteilung schon so gemacht. Die Exekution des
ersten Transportes verlief ohne Zwischenfall. Während Vollprecht bei der
Grube blieb, fuhren Paal und ich zurück zum Arbeitslager, wo wir weitere
28 Kgf. auf den Lkw luden. Bei diesem zweiten Transport handelte es sich
in erster Linie um Männer, die irgendwelche Armamputationen hatten. Soweit
ich mich jetzt richtig entsinne, hatten die meisten alle Glieder. Auch
jetzt kritisierte ich die falsche Einteilung von Paal. Er bemerkte darauf,
daß es ja doch afles Krüppel seien. Ich warnte ihn dann noch zur
besonderen Vorsicht. Auf Anordnung von Paal stellte ich mich auf das
Trittbrett beim Führerhaus und beobachtete mit gezogener Pistole die im
offenen Wagen sitzenden Häftlinge. Paal selbst stand nicht auf der anderen
Seite des Trittbrettes, sondern saß neben dem Kraftwagenführer. Während
bei dem ersten Transport Vollprecht mit seiner MP die Erschießung
durchgeführt hatte, wurde ich jetzt bei dem zweiten durch Paal damit
beauftragt. Er beabsichtigte damit, bei diesem gefährlichen Transport eine
größere Feuerkraft als Bewachung am Wagen zu haben. Unmittelbar am Lkw
stand also Paal mit einem dicken Fahrermantel bekleidet und umgehängtem
automatischen Russengewehr. Auch Vollprecht stand mit Mantel und der MP in
der Hand unmittelbar beim Lkw. Der Kraftfahrer Schäfer bezog am Rande der
Grube Posten, während ich in der Grube mit meiner Pistole 08 die
Erschießung vornahm. Bevor ich in die Grube stieg, habe ich Paal noch
einmal zur Vorsicht ermahnt und ihm geraten, den Mantel auszuziehen, damit
er beweglicher sei. Ich habe ihm auch weiter geraten, das Gewehr im
Anschlag zu halten, da wir es hier nicht mit Juden zu tun hätten. Auf
meine Einwände hat Paal jedoch in keiner Weise reagiert, sondern befahl im
Gegensatz zu meinem Vorschlag, immer die Gefangenen einzeln zur Grube zu
führen, daß zwei Mann gleichzeitig durch mich und den Kraftfahrer zur
Grube geführt werden sollten. Nachdem ich die ersten drei Häftlinge
erschossen hatte, hörte ich plötzlich oberhalb der Grube ein Geschrei. Da
der vierte Häftling gerade beim Hinlegen war, habe ich diesen schnell
abgeknallt und bemerkte dann beim Aufblicken, daß am Lkw ein wüstes
Durcheinander war. Ich hatte auch unmittelbar vorher Schüsse fallen hören,
und die Häftlinge sah ich links und rechts vom Wagen das Weite suchen.
Über den einzelnen Ablauf der Dinge, die am Lkw vor sich gingen, kann ich
genaue Angaben nicht mehr machen, zumal ich in größerer Entfernung von
etwa 40-50 m stand und das Ganze ein wüstes Bild darbot. Ich weiß jetzt
nur noch zu sagen, daß ich die beiden Kameraden am Boden liegen sah und
daß zwei Häftlinge mit den erbeuteten Waffen auf mich und den Kraftfahrer
schössen. [...]
aus.
Ernst Klee und Willi Dreßen (Herausgeber)
"Gott mit uns" Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939 - 1945, 1989
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