Am 27. März 1944 führten die Deutschen eine ihrer abscheulichsten «
Aktionen » durch die Vernichtung der Kinder und Alten.
Speziell für diese «Aktion» war eine Gruppe von Offizieren ausgewählt
worden.
Zum festgelegten Zeitpunkt versammelten sich die Offiziere im Ghetto. Sie
hatten ihre Paradeuniform angelegt, waren ordensgeschmückt, trugen
Armbinden mit dem Hakenkreuz, verschiedenfarbige Kragenspiegel und
goldfarbene Knöpfe. Jeder Offizier hatte eine Pistole umgeschnallt, eine
Maschinenpistole vor der Brust und eine Axt in der Hand. In diesem Aufzug
also erschienen sie im Ghetto, bewegten sie sich durch die engen Straßen
des «Judenviertels». Augenblicklich ertönten herzzerreißende Schreie und
Wehklagen.
Es ist schwer zu beschreiben, was sich in diesen grauenvollen,
entsetzlichen Stunden abspielte. Die Säuglinge wurden den Müttern aus den
Händen gerissen und in das Innere der Lastwagen geworfen. Die Väter wurden
bestialisch geschlagen, ihnen konnten die Kinder, die auf die offenen
Ladeflächen der Lkws geschleudert wurden, nur mit Gewalt abgenommen
werden. Halbwüchsigen, die zu fliehen suchten, wurde in die Beine
geschossen, da die Kinder lebend auf die Lastwagen sollten. Wenn sich eine
Mutter schützend vor ihre Kinder stellte, hetzte man Hunde auf sie. Als
die Mütter in ihrer Ohnmacht versuchten, die Lastwagen zu erklimmen, um zu
ihren unglücklichen Kindern zu gelangen, wurden sie mit Äxten
niedergemacht. Der Befehl lautete, die Kinder lebend ins IX. Fort zu
bringen.
So wurden 3500 Kinder und Alte zur Exekution transportiert. Nach diesem
schrecklichen Massaker gelang es noch vier Jugendlichen, aus dem Ghetto zu
entkommen. Zu ihnen gehörten Schije Wershgowski und Schmuel Rasin, dessen
Eltern, jüngere Schwestern und Brüder umgekommen waren.
«Blut für Blut», das war die Losung der jüdischen Partisanen. Den
bestialischen Mord an der Familie Wilentschuk rächte ihr Sohn Aron, der
als einer der ersten aus dem Ghetto geflohen war.
Die Vernichtung der Familie Joffe rächte ihr Verwandter Israel Milner. Die
Familie Gleser, die man ins IX. Fort gebracht hatte, und 200 weitere
Familien rächte der ehemalige Student, der Partisan Hirsch Smoljakow.
Unerbittlich rächte sich der Partisan Peisach Stein an den Deutschen.
An jenem Frühlingstag des Jahres 1943, als die Deutschen 620 Juden unter
dem Vorwand, sie zur Arbeit zu bringen, ins IX. Fort transportierten und
erschossen, überfiel Jankel Birger mit einer Gruppe Partisanen einen
Militärtransport und sprengte ihn. Hunderte von Hitlerleuten flogen in die
Luft. Jankel Birger ist bei einem weiteren Sabotageakt umgekommen. Doch
ihn, seinen ermordeten Bruder und seine Mutter rächte das jüdische Mädchen
Eira Pilownik.
Die Deutschen, die im Kampf mit den unbewaffneten jüdischen Müttern so
große «Tapferkeit» an den Tag gelegt hatten, fürchteten sich, des Nachts
allein durch die Straßen zu gehen.
Die Partisanen lauerten ihnen überall auf. An der Chaussee Wilna - Grodno
hielten sich die Brüder Wölbe -meisterhafte Maschinengewehrschützen -
verborgen; in einer Nacht sprengte eine unsichtbare Hand eine Brücke in
die Luft, in der nächsten setzte eine andere unsichtbare Hand ein Depot in
Brand. David Teper, Alter Faitelson, Lea Port, Schmuel Mitkowski und
Dutzende andere Partisanen waren leibliche Kinder der wehrlosen Mütter und
hilflosen Alten im Ghetto. Sie übten Rache für all das Blut und die
Tränen. Furchtlose Saboteure waren Boruch Lipjanski, Schimen Bloch und
Zodikow.
Die jüdische Partisanenabteilung nannte sich «Tod den Okkupanten». Sie
wuchs. Aus einer Abteilung wurden drei.
aus:
Wassili Grossmann, Ilja Ehrenburg (Herausgeber)
Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden
(in deutscher Sprache herausgegeben von Arno Lustiger), 1994
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