RAVENSBRÜCK, Konzentrationslager in der Nähe von Ravensbrück, einem Dorf
an der Havel etwa einen Kilometer entfernt vom Bahnhof Fürstenberg und 90
Kilometer nördlich von Berlin. Am 15. Mai 1939 wurde dort ein
Konzentrationslager für Frauen eingerichtet, am 18. Mai 1939 wurden 867
weibliche Gefangene zusammen mit dem Lagerkommandanten, dem
SS-Hauptsturmführer Max Koegel, aus dem Konzentrationslager in Lichtenburg
(heute Prettin) dorthin gebracht. Koegel behielt diesen Posten bis zum
Sommer 1943, als er von SS-Hauptsturmführer Fritz Suhren abgelöst wurde,
der bis zum Mai 1945 Kommandant blieb.
Die Lagerstruktur entsprach der anderer nationalsozialistischer
Konzentrationslager. Neben den Männern, die die Wache bildeten und
Verwaltungsposten innehatten, gab es 150 weibliche Aufseherinnen. Die
Aufseherinnen waren meist Freiwillige, die den Posten angenommen hatten,
weil sie besser bezahlt wurden und den Aufsichtsdienst der Fabrikarbeit
vorzogen. In den Jahren 1942 und 1943 gab es in Ravensbrück auch ein
Ausbildungslager für Aufseherinnen der SS; 3500 Frauen wurden hier
ausgebildet.
Gegen Ende des Jahres 1939 waren 2000 Gefangene in Ravensbrück, Ende 1942
war ihre Zahl auf 10800 angestiegen. 1944 wurden weitere 70000 Frauen nach
Ravensbrück deportiert; die meisten von ihnen kamen in eines der
Nebenlager. Einige dieser Nebenlager waren weit von Ravensbrück entfernt;
in Mecklenburg, Bayern oder dem Protektorat Böhmen und Mähren. Die meisten
waren an Rüstungswerksgelände angeschlossen, ein solches Gelände wurde
auch in der Nähe von Ravensbrück selbst geschaffen. 1944 befanden sich im
Hauptlager Ravensbrück 26700 Gefangene sowie einige tausend Mädchen in
einem sogenannten Jugendschutzlager.
Im April 1941 wurde in der Nähe des Lagers Ravensbrück ein
Konzentrationslager für Männer eingerichtet, offiziell ein Nebenlager des
Lagers Sachsenhausen. Während der Zeit seines Bestehens durchliefen
ungefähr 20000 männliche Gefangene dieses Lager, 16 Prozent davon Juden.
Zu Beginn des Jahres 1945 wurden sowjetische Gefangene im Männerlager für
die Armee von Andrei Wlassow rekrutiert, während die deutschen Gefangenen
in die SS-Brigade Oskar Dirlewangers eingezogen wurden. Bis Anfang Februar
1945 hatten über 107000 Frauen das Lager passiert: 2 Prozent der
Gefangenen waren Polinnen, 20 Prozent Deutsche, 19 Prozent Russinnen und
Ukrainerinnen, 15 Prozent Jüdinnen, 7 Prozent Französinnen, 5,5 Prozent
Zigeunerinnen, und 8,5 Prozent waren anderer Nationalität.
Vom Sommer 1942 an wurden in Ravensbrück medizinische Experimente
durchgeführt. Eines dieser Projekte wurde von Karl Gebhardt geleitet. Er
benutzte Sulfonamid zur Behandlung eitriger Wunden und zu
Knochentransplantationen. 74 Gefangene wurden Opfer dieser Versuche,
hauptsächlich junge Polinnen, die man der Zugehörigkeit zur
Untergrundbewegung verdächtigte. Carl Clauberg leitete ein weiteres
Experiment, wobei es um Sterilisationsversuche ging; 35 Frauen wurden
Opfer dieses Versuchs, die meisten waren Zigeunerinnen.
In der Anfangszeit des Lagers wurden Gefangene durch Genickschuß getötet.
1942, im Rahmen der »Aktion 14f13«, wurden behinderte, kranke und
arbeitsunfähige Gefangene in Euthanasie-Anstallen sowie nach Auschwitz transportiert und dort ermordet. Manche wurden später in Ravensbrück
durch Phenolinjektionen getötet. Ihre Leichen verbrannte man im
nahegelegenen Krematorium von Fürstenberg, doch angesichts der wachsenden
Zahl der Opfer wurde im April 1943 in Ravensbrück neben dem Jugendlager
ein eigenes Krematorium gebaut. Ende Januar oder Anfang Februar 1945
wurden neben dem Krematorium Gaskammern installiert. Bis Ende April sind
dort 2200 bis 1300 Menschen ermordet worden.
Gegen Ende März des Jahres 1945 wurde für Ravensbrück der Befehl zur
"Evakuierung" erteilt; 24500 Gefangene, Männer und Frauen, wurden nach
Mecklenburg deportiert. Anfang April 1945 übergab man 500 weibliche
Gefangene dem schwedischen und dänischen Roten Kreuz und ließ 2500
deutsche Frauen frei. In der Nacht vom 29. auf den 30. April 1945 wurde
Ravensbrück von sowjetischen Truppen befreit. Sie fanden dort 3500 kranke
weibliche Gefangene, die von den anderen Häftlingen versorgt wurden.
siehe:
Enzyklopädie des Holocaust, Band III
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