Am Freitag, dem 2. Januar 1942, traf in seinem gelben Auto Wizermann, der
Gebietskommissar von Litin, in Chmelnik ein.
Er beorderte den Vorsteher der Juden zu sich und verfügte eine neue, hohe
Kontribution.
Außerdem ordnete er an, daß die Juden unverzüglich aus der Neustadt in die
als Ghetto vorgesehene Altstadt übersiedelten. Der kategorische Befehl
lautete: Alle Russen und Ukrainer sind verpflichtet, ihre Türen mit einem
Kreuz zu kennzeichnen; wer das Haus eines Juden betritt, wird hart
bestraft.
Einige Tage vergingen, dann brach die «Aktion» los.
Es herrschten Sturm, Schneetreiben und klirrender Frost.
Die Menschen fürchteten sich, ihre Häuschen zu verlassen, sie ahnten das
Grauen und das Leid, das ihnen der kommende Tag bringen würde,
buchstäblich voraus.
Um 5 Uhr morgens wurden die Straßen unter dem Befehl des Gebietskommissars
Wizermann von Gestapo-Leuten und ihren Helfern, den Litiner Polizisten und
Feldgendarmen, abgeriegelt.
Kurz danach begann die blutige Vernichtung der Juden. Die verschlafenen
Menschen wurden aus den Betten gerissen, und man erlaubte ihnen nicht,
sich anzukleiden. Alte und Kranke wurden auf der Stelle erschossen.
Die Temperaturen erreichten an die dreißig Grad minus, doch alle wurden
mitleidslos auf die Straße gejagt. Viele Menschen gingen barfuß, mancher
hatte nur einen Schuh oder trug Überschuhe an den bloßen Füßen, andere
hatten sich in eine Decke gehüllt oder waren nur mit einem Hemd bekleidet.
Viele versuchten zu fliehen, doch eine Kugel streckte sie alsbald nieder.
Der Überlebende A. Beider berichtet:
« Um 6 Uhr morgens hörte ich Schüsse. Als ich die Tür öffnete, schrie mich
ein bewaffneter Polizist an: <Raus mit dir!> Sie jagten mich zum nächsten
Haus. Wie sehr ich auch bat, man möge mir gestatten, zusammen mit meiner
Familie zu gehen, damit es meine Frau leichter habe, die Kinder in den Tod
zu führen - ich erntete nur Kolbenschläge. Gewaltsam hatte man mich in
dieser schrecklichsten Stunde des Lebens von meiner Frau und meinen
geliebten drei Kindern getrennt. Mir gelang es, aus der Kolonne zu
fliehen. Schreie, Stöhnen und Weinen erfüllten die Luft. Eine Deutsche,
die Frau des Vorsitzenden der Stadtverwaltung, trieb die Kinder. Sie trieb
und beschwichtigte sie zugleich: <Ruhig, Kinder, seid still.>
Als die Menge auf dem Platz zusammengetrieben worden war, befahl der
Gebietskommissar, eine Liste mit Namen von Fachleuten zu verlesen, denen
es gestattet wurde, weiterzuleben. Alle anderen trieb man in den drei
Kilometer von der Stadt entfernten Kiefernwald. Dort waren bereits Gruben
ausgehoben. Auf dem Weg dorthin verhöhnten die Gestapo-Leute die Menschen
mitleidslos und schlugen auf sie ein.
Ein Gestapo-Mann trieb zwei Mädchen, die Schwestern Lerner, mit
Messerstichen vor sich her.
Der vierjährige Chaim - seine Mutter hatten die Deutschen ermordet - ging
wie ein Erwachsener in der Kolonne und mit allen zu den Gruben...
Dort wurden die Leute in einer Reihe aufgestellt, man zwang sie unter
Schlägen und Drohungen, sich zu entkleiden und die Kinder auszuziehen. Es
herrschte grimmiger Frost. Die Kinder schrien: <Mama, warum ziehst du mich
aus, es ist ja so kalt auf der Straße.. .>
Alle 15 bis 20 Minuten wurde eine Partie mit Kleidungsstücken der
Ermordeten zum Speicher abgefertigt.»
An diesem Tag, dem 9. Januar 1942, wurden 6800 Menschen ermordet.
siehe auch 16.01.1942
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