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01.11.1941. Errichtung des ersten Vernichtungslagers in Chelmno

 

Das erste Vernichtungslager war Chelmno, zu Deutsch Kulmhof. Dort begannen die Bauarbeiten am 1. November 1941. also vor 65 Jahren. Viel gebaut werden musste nicht, weil ein altes Schloss den Mittelpunkt des Lagers bildete. Es lag etwa 70 km westlich von Lodz und war als zentrale Vernichtungsstätte für alle Juden im Ghetto von Lodz und im gesamten dem Deutschen Reich angegliederten Warthegau gedacht. Chelmno bestand aus zwei Teilen: Dem Schloss, wo unter anderem das Lagerpersonal wohnte und wo der Massenmord vollstreckt wurde, sowie dem angrenzenden Lager im Wald von Rzuchow, wo die Leichen in Massengräbern verschwanden und später verbrannt wurden. Zum »Sonderkommando Kulmhof« gehörten 70 bis 80 Schutzpolizisten und 10 bis 15 Männer der Sicherheitspolizei. Am Beispiel Chelmno lässt sich besonders überzeugend beweisen, dass auch ganz gewöhnliche Schutzpolizisten zu den Massenmördern gehörten. Als Mitglieder des »Schlosskommandos« führten sie die Opfer in den Schlosskeller. Dort mussten sie sieh entkleiden und ihre Wertsachen abgeben. Ihnen wurde gesagt, ihre Kleidung müsse desinfiziert, die Wertgegenstände mit ihrem Namen markiert werden. Dann wurden die Menschen nach Geschlechtern getrennt zu einer Rampe getrieben, an deren Ende der Gaswagen stand. Erst hier ließen die Polizisten ihren niedrigsten Trieben freien Lauf. Sie trieben die Menschen mit Schlägen in den Lkw, der sofort geschlossen wurde. Dann verriegelte der Fahrer des Wagens von außen die Tür und ließ den Motor an. Nach etwa zehn Minuten herrschte im Laderaum des Lkw Totenstille. Erst jetzt fuhr der Fahrer in den erwähnten Wald. Dort hatten andere Häftlinge Massengräber ausgehoben. Sie mussten die Leichen aus dem Gaswagen in die Graben tragen. Im Sommer 1942 wurden im Wald zwei Krematorien gebaut, die aber erst später in Betrieb gingen.
Die Vorbereitungen für die Massenmorde dauerten nur wenige Wochen. Schon am 7. Dezember kam der erste Transport an. Am Tag darauf begannen die Morde und zwar an Juden aus der Umgebung des Lagers. Obwohl seit Anfang Januar 1942 nur drei Gaswagen zur Verfügung standen, wurden zwischen dem 16. und dem 29. Januar 1942 mindestens 10.003 Juden aus dem Ghetto Lodz in Chelmno ermordet. So ging das weiter bis zum März 1943. Dann lebte im Warthegau kein Jude mehr - außer im Ghetto Lodz. Das Personal sprengte das Schloss und andere Anlagen, weshalb seitdem vom Vernichtungslager Chelmno nichts mehr zu sehen ist. Das Personal wurde nach Jugoslawien verlegt und von der Waffen-SS-Division »Prinz Eugen« übernommen.
Das Morden in Chelmno begann erneut im Februar 1944. als die Rote Armee immer näher kam und daher das Ghetto Lodz aufgelöst werden musste. Deshalb ließ das aus Jugoslawien zurückgeholte Personal im Wald zwei Verbrennungsöfen und zwei Baracken für die Opfer bauen. Sie kamen wie auch zuvor mit LKW aus Lodz in den Wald von Chelmno, mussten sich ausziehen und wurden in eine Passage gejagt, an deren Ende der Gaswagen stand. Weil das Morden nach Meinung der Führung in Berlin nicht schnell genug ging, wurden die letzten Juden des Ghettos von Lodz in die Gaskammern von Auschwitz deportiert. In der Nacht des 17. Januar 1945 verließ das »Sonderkommando« Chelmno. Das war das Ende des ersten Vernichtungslagers.
Nach der Befreiung führte die polnische Justiz Strafverfahren gegen zwei Angehörige des Lagerpersonals: Walter Piller und Hermann Gielow. Sie wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. In der BRD dauerte es bis 1962, ehe vor dem Landgericht Bonn zwölf Chelmno-Schergen zur Verantwortung gezogen wurden. Das Verfahren endete zum Teil mit hohen Haftstrafen, aber auch mit Freisprüchen. Eine Verhandlung vor dem Landgericht Kiel im Jahr 1965 war eher eine Groteske als ein Strafprozess. Ein Schutzpolizist des Sonderkommandos kam mit 13 Monaten und zwei Wochen Haft davon. Eine Justizfarce, von der die Öffentlichkeit leider so gut wie nichts erfuhr.


aus.
Heiner Lichtenstein, Daten aus der Zeitgeschichte, in: Tribüne Nr. 179/2006


Siehe auch 17.Januar 1945