04.09.1941. "Er ist Katoffeln ernten gegangen." In Berditschew werden 1500 junge Juden erschossen

 


Zur gleichen Zeit jedoch wurden Kriegsgefangene, die die Deutschen vom Kahlen Berg auf das Feld neben dem Flugplatz getrieben hatten, gezwungen, dort, wo die Brodskaja-Straße endet und der gepflasterte Weg ins Dorf Romanowka beginnt, fünf tiefe Gruben auszuheben.

Am 4. September, eine Woche nach Einrichtung des Ghettos, forderten die Deutschen und die als Polizisten eingesetzten Verräter 1500 junge Leute auf, sich zu landwirtschaftlichen Arbeiten zu verdingen. Die jungen Leute schnürten ihr Bündel, nahmen ein Stück Brot, verabschiedeten sich von ihren Eltern und machten sich auf den Weg. Sie wurden alle noch am gleichen Tag zwischen dem Kahlen Berg und dem Dorf Chashino erschossen. Die Henker hatten die Hinrichtung gekonnt vorbereitet, so geschickt, daß bis zur letzten Minute niemand von den Todgeweihten etwas von der bevorstehenden Ermordung ahnte. Man hatte ihnen genau erklärt, wo sie arbeiten würden, wie man sie in Gruppen einteile, wo und wann ihnen Spaten und anderes Arbeitsgerät ausgehändigt werden solle. Ja, man hatte ihnen sogar angedeutet, daß jedem von ihnen nach Beendigung der Arbeit gestattet werde, ein paar Kartoffeln für die im Ghetto zurückgebliebenen Eltern mitzunehmen.
Und auch jene, die im Ghetto ausharrten, erfuhren in den ihnen noch verbliebenen Lebenstagen nichts von dem Schicksal, das die jungen Leute ereilt hatte.
«Wo ist Ihr Sohn?» wurde dieser oder jener Vater gefragt.
«Er ist Kartoffeln ernten gegangen», war die selbstverständliche Antwort.
Die Erschießung der Jugendlichen war das erste Glied in der Kette vorbedachter Maßnahmen zur Ermordung der Berditschewer Juden. Zuerst wurden aus dem Ghetto fast alle jungen Leute, die Widerstand hätten leisten können, entfernt. In Jatki blieben vor allem Greise und Greisinnen, Frauen, Schüler und Schülerinnen sowie Kleinkinder zurück. So sicherten sich die Deutschen völlig freie Hand für die generelle Massenhinrichtung.
Die Vorbereitungen für die « Aktion » wurden abgeschlossen. Die Gruben am Ende der Brodskaja-Straße waren ausgehoben.

aus:

Wassili Grossmann, Ilja Ehrenburg (Herausgeber)
Das Schwarzbuch, Der Genozid an den sowjetischen Juden
(in deutscher Sprache herausgegeben von Arno Lustiger), 1994


siehe auch: 15.09.1941